Die Kanonen von Navarone
bald naß wie ein Sumpf wurde. Aber die Männer, besonders Mallory und Andrea, nahmen diese ungemütliche Zugabe gern in Kauf, da sie zum erstenmal seit über dreißig Stunden wieder Wärme genießen durften. Mallory empfand tief die Wohltat der Glut, die ihn durchrann, sein ganzer Körper entspannte sich, die Augenlider wurden ihm schwer vor Müdigkeit.
Den Rücken gegen die Wand gelehnt, war er, noch an derselben Zigarette ziehend, kurz vor dem Einschlafen, als er einen Windstoß spürte und in einem kleinen Schneewirbel Brown in die Höhle trat, der ermattet die Riemen seines Funkgeräts von den Schultern streifte. Beim Anblick des Feuers leuchtete es kurz in seinen immer melancholischen Augen. Bebend, mit vor Kälte blauem Gesicht – ›Kein Vergnügen, eine halbe Stunde bewegungslos da draußen auf dem öden eiskalten Hang zu hocken‹, dachte Mallory bitter – kauerte sich Brown schweigend dicht beim Feuer nieder, zog die unvermeidliche Zigarette hervor und stierte verdrießlich in die Flammen, ungeachtet der Wolken von Wasserdampf, die ihn fast sofort einhüllten, und des scharfen Geruchs von seinem ansengenden Zeug. Er sah völlig verzweifelt aus. Mallory griff nach einer Flasche, goß ein wenig von dem heißgemachten retsima – dem stark mit Harz versetzten griechischen Wein – in einen Becher und reichte ihn Brown.
»Gleich 'runter damit in die Futterluke«, forderte er ihn auf, »dann schmeckt man ihn nicht so stark.« Er klopfte mit dem Fuß an das Sendegerät und blickte Brown wieder an. »Auch diesmal wieder eine Niete?«
»Habe sie ganz leicht gekriegt, Sir.« Brown zog eine Grimasse, als er den klebrig süßen Wein trank. »Empfang war erstklassig, hier und in Kairo auch.«
»Was! Sie sind durchgekommen?« Mallory hatte sich aufgerichtet und gespannt vorgebeugt. »Und die haben sich wohl gefreut, diese Nacht von ihren Wandergesellen zu hören, wie?«
»Haben Sie nicht gesagt. Gleich zuerst haben sie mir befohlen, nichts durchzugeben, und damit basta.« Brown stocherte mißmutig mit einem seiner dampfenden Stiefel im Feuer. »Fragen Sie mich nicht, wieso, Sir, aber die haben Hinweise gekriegt, daß in den letzten vierzehn Tagen die Ausrüstung für zwei oder drei kleine Peilstationen hier auf die Insel gekommen ist.«
»Peilstationen! Das ist ja ganz reizend, muß ich sagen!« schimpfte Mallory. Er dachte einen Moment an das ewige Flüchtlingsleben, zu dem solche Peilstationen ihn und Andrea in den Weißen Bergen von Kreta gezwungen hatten. »Verdammt noch mal, Casey, auf so einer Insel, die kaum größer ist als ein Suppenteller, können die uns mit geschlossenen Augen finden!«
»Jawohl, können sie, Sir.« Brown nickte ernst.
»Hatten Sie über diese Stationen etwas erfahren, Louki?« fragte Mallory.
»Nichts, Herr Major, gar nichts.« Louki zuckte die Achseln. »Leider weiß ich nicht mal, was Sie damit meinen.«
»Kann ich mir denken. Spielt ja auch keine Rolle – jetzt ist es zu spät. Was haben Sie sonst noch für gute Nachrichten, Brown?«
»Das ist ziemlich alles, Sir. Und daß ich nichts senden darf. – Befehl. Höchstens chiffrierte Abkürzungen für Ja, Nein, Wiederholen, Verstanden und dergleichen. Zusammenhängende Texte nur in dringendem Notfall und wenn's sowieso nicht geheim bleiben kann.«
»Zum Beispiel aus der Todeszelle in den hübschen kleinen Kerkern von Navarone«, murmelte Mallory. »Ich bin tapfer gestorben, Mama, oder so.«
»Mit allem Respekt, Sir, da gibt's nichts zum Scherzen«, sagte Brown deprimiert. »Die feindliche Invasionsflotte, hauptsächlich Kajiken und Schnellboote, ist heute morgen vom Piräus ausgelaufen. Gegen vier heute früh. Kairo rechnet damit, daß sie sich heute nacht irgendwo in den Zykladen versteckt.«
»Das ist sehr schlau von Kairo. Wo sollen sie sich denn sonst verstecken, zum Donnerwetter?« Mallory zündete eine neue Zigarette an und blickte trostlos in das Feuer. »Jedenfalls ist es nett, zu wissen, daß sie unterwegs sind. Ist doch allerhand, Casey?«
Brown nickte stumm.
»Also gut soweit. Vielen Dank, daß Sie draußen waren. Legen Sie sich jetzt lieber hin und schlafen Sie so lange wie's geht … Louki meint, wir sollten noch vor Hellwerden in Margaritha sein, uns da tagsüber versteckt halten – er hat schon einen verlassenen Brunnenschacht oder sowas für uns hergerichtet – und morgen abend nach dem Ort Navarone vorstoßen.«
»Mein Gott!« stöhnte Brown. »Heute nacht eine Tropfsteinhöhle und morgen
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