Die Kanonen von Navarone
aussahen, erschrak er – es schien ihm unbegreiflich, doch er hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, denn der Kerzenrest erlosch und Louki sank in die Schatten zurück.
Stevens lag ausgestreckt in einem Schlafsack, er atmete rasselnd, hastig und flach. Er war wach gewesen, als sie ankamen, weigerte sich aber, zu essen oder zu trinken, hatte sich umgedreht und war in unruhigen Schlaf gefallen. Schmerzen schien er jetzt gar nicht zu spüren. ›Ein schlechtes Zeichen‹, dachte Mallory trostlos, ›das allerschlechteste. Wenn nur Miller erst wieder da wäre …‹
Brown spülte die letzten Brotkrumen mit einem Schluck Wein hinunter, erhob sich steif, trat an den Vorhang und blickte bekümmert in das Schneetreiben. Es fror ihn, er ließ den Vorhang wieder zufallen, hob seinen Sender auf, zog sich die Riemen über die Schultern und nahm eine Seilrolle, eine Taschenlampe und eine Zeltbahn zur Hand. Mallory sah nach der Uhr: noch fünfzehn Minuten bis Mitternacht. Der übliche Anruf von Kairo war bald fällig.
»Wollen Sie's noch mal probieren, Casey? Ich würde in so einer Nacht keinen Hund vor die Tür jagen.«
»Ich auch nicht«, erwiderte Brown mürrisch, »aber ich will's doch lieber versuchen. Nachts ist der Empfang viel besser, und ich werde ein Stück weiter nach oben gehen, daß ich von dem verdammten Berg freikomme. Bei Tageslicht würde man mich da sofort entdecken.«
»Ganz richtig, Casey. Das verstehen Sie am besten.« Mallory blickte ihn fragend an. »Wozu nehmen Sie all das andere Gerät noch mit?«
»Will den Apparat unter die Zeltbahn setzen und mit der Taschenlampe darunterkriechen«, erklärte Brown. »Und das Seil will ich hier draußen anpflocken und auf meinem Wege ausrollen, denn ich möchte gern wieder zurückfinden.«
»Sehr praktisch«, lobte Mallory, »aber passen Sie weiter oben gut auf. Diese Rinne wird da enger und tiefer, eine richtige Schlucht.«
»Nur keine Sorge um mich, Sir«, sagte Brown energisch. »Casey Brown wird nichts passieren.« Schnee wirbelte in den Eingang, die Zeltbahn flappte zurück, Brown war schon vorausgegangen.
»Na, wenn Brown das kann …« Mallory war gleich aufgestanden und zog sein Schneehemd über. »Feuerung, meine Herren, aus der Hütte vom alten Leri. Wer macht mit mir einen Mitternachtsspaziergang?«
Andrea und Louki waren gleich auf den Füßen, doch Mallory schüttelte den Kopf. »Einer ist genug. Es muß wohl jemand hierbleiben, der sich um Stevens kümmert.«
»Der schläft fest«, murmelte Andrea, »in der kurzen Zeit, die wir weggehen, kann ihm nichts passieren.«
»Das war auch nicht mein Gedanke. Es darf nicht dazu kommen, daß er den Deutschen in die Hände fällt, denn die würden ihn bestimmt zum Reden bringen. Ohne seine Schuld – aber sie würden ihn zwingen, zu sprechen. Das ist zu riskant. Das muß auf alle Fälle verhütet werden.«
»Puh!« Louki schnippte mit den Fingern. »Unnütze Bedenken, Herr Major. Hier ist meilenweit kein Deutscher in der Nähe. Mein Wort darauf.«
Mallory zögerte, dann lächelte er. »Sie haben recht, ich werde nervös.« Er beugte sich über Stevens und schüttelte ihn sanft. Der junge Mensch rührte sich stöhnend und öffnete langsam die Augen.
»Wir wollen Holz zum Heizen holen«, sagte Mallory. »In ein paar Minuten sind wir wieder hier. Geht's solange allein?«
»Selbstverständlich, Sir. Was kann schon passieren! Legen Sie einen Revolver neben mich und pusten Sie die Kerzen aus.« Er lächelte. »Aber wenn Sie wieder hereinkommen, rufen Sie mich bitte erst an.«
Mallory blies die Kerze aus. Sie flackerte noch kurz auf, ehe sie erlosch, und dann lag der ganze Unterstand in der dichten Finsternis der Winternacht. Mallory machte kehrt, drückte den Vorhang gegen den vom Wind angetriebenen Schnee auf, der schon den Boden ihrer Höhle bedeckte, und ging hinaus, von Andrea und Louki gefolgt.
Sie brauchten zehn Minuten, um die verfallene Hütte des alten Ziegenhirten zu erreichen. In fünf Minuten hatte Andrea die Tür aus den verbogenen Angeln gerissen und sie in tragbare Stücke zerhauen, ebenso das hölzerne Bett und den Tisch. Und in weiteren zehn Minuten hatten sie soviel Holz, wie sie zusammenbinden und bequem tragen konnten, bis zu ihrem Unterstand geschafft. Der aus Norden vom Kostos herabbrausende Wind, fast zum vollen Sturm gewachsen, fegte ihnen jetzt in die Gesichter, die unter den nassen Peitschenhieben des treibenden Schnees halb erfroren. Sie waren froh, wieder in den Schutz
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