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Die Kanzlerin - Roman

Die Kanzlerin - Roman

Titel: Die Kanzlerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenos Verlag
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die will er nicht verlassen, sondern wandernd durchleben. Wanderer suchen keine neue Heimat. Wanderer sind keine Flüchtlinge – womit ich jetzt nicht die Auswanderer meine, das hat nur einfach mit Wandern nichts zu tun –, sondern sie bewahren vielmehr das, bei aller Flüchtigkeit der Zeit, was man unter Heimat verstehen kann: Schritt für Schritt etwas von der Gegenwart in dieser Zeit …«
    »Frau Kanzlerin, Sie sprechen sehr oft in der männlichen Form, jetzt eben: Ein Wanderer hat eine Heimat, und die will er nicht verlassen. Warum er und nicht sie? «
    Die Kanzlerin war nur kurz irritiert, weil die fragende Kolleginvon der Journalistenzunft bekannt war dafür, dass sie die Rolle der Frau vor allem sprachlich gewürdigt haben wollte. »Also, da kann ich nur sagen: Es heisst ja auch nicht ›Das Wandern ist der Müllerin Lust‹, sondern eben ›des Müllers‹, und ansonsten kann ich Ihnen versichern, dass die Kanzlerin, wenn sie wandert, als Frau unterwegs ist und also eine Sie ist und als das auch gerne wahrgenommen wird.«
    »Tragen Sie einen Rucksack unterwegs, oder trägt den ein Leibwächter? Und was steckt drin?«
    »Dass mich das ausgerechnet eine Dame jener Boulevardzeitung fragt, die auch ungefragt in so manche Tasche schon geguckt hat, erstaunt mich zwar, aber dass ich nicht mit einem Damentäschchen in den Bergen unterwegs bin, davon können Sie ausgehen. Auch wenn ich zugebe, dass ich gerne möglichst unbelastet unterwegs bin. Im Übrigen gibt meine Frisur ja unterdessen zu keinen Beschwerden mehr Anlass, und so brauche ich auch nicht alle paar Meter in den Spiegel zu sehen – aber bevor wir jetzt das Gespräch auch noch auf Wanderzirkusse, Wandernieren oder anderes ausweiten, schlage ich vor, dass wir an dieser Stelle einen Punkt machen.«
    »Was für ein Buch nehmen Sie mit?«
    »Ich gehe auf keine Insel, und darum brauche ich auch keine drei Dinge mitzunehmen«, sagte die Kanzlerin und ärgerte sich furchtbar. Sie hasste solche Fragen. Und immer sollte jemand ein Buch mitnehmen. Und fast alle so Gefragten nahmen die Bibel mit. Und sassen dann wohl alle mit der Bibel in der Hand auf der Insel, blätterten im Neuen Testament und warteten trotzdem auf ein Schiff, das nie kommen würde.
    Das Dümmste an Journalisten aber war ihre Behauptung, dass es keine dummen Fragen gebe, nur dumme Antworten. Als ob nicht schon so manche kluge Antwort nicht gegeben werden konnte, weil die vielen dummen Fragen sie verdrängt hatten. Wer in die falsche Richtung zielt, trifft jedenfalls nicht ins Schwarze,dachte die Kanzlerin, die hörte, wie ihr Vize auch noch eine Frage beantwortete. Wer falsch fragt, bekommt darauf vielleicht sogar eine richtige Antwort, aber die Sache wird trotzdem verfälscht …
    »Ich bedanke mich für die – in der Regel – sehr erfreuliche Zusammenarbeit mit Ihnen und wünsche allen einen wunderschönen Sommer. Den haben wir uns auch alle redlich verdient«, sagte die Kanzlerin und verliess den Saal.

    »Kranich?« Die Kanzlerin schaute auf ihren Posteingang, es hatte dreimal gezwitschert. Sie würde die Mitteilungen später lesen.

C ookie: »Gute Arbeit.«
    Figo: »Keine Probleme. Keine Überwachungskameras. Einfaches Türschloss. Die Frau schlief tief. Ich hab ihr ein sehr schönes, sehr modisches Tüchlein auf die Nase gelegt.«
    Cookie: »Versace?«
    Figo: »Lagerfeld.«
    Cookie: »Getränkt mit Chloroform?«
    Figo: »Stinkt bestialisch, stundenlang. Es gibt schönere und wirksamere Düfte.«
    Cookie: »Clara war dabei?«
    Figo: »Sie hat eine Spritze aufgezogen. Kaliumchlorid. Die Forensiker hassen es. Schwerer nachzuweisen als jedes andere Gift. Und zwar, sagt Clara, weil der natürliche Kaliumspiegel nach dem Tod auf die zwei- bis dreifache Menge ansteigt. Es gibt überhaupt viel mehr Tötungsarten, als man glaubt, bei denen die Gerichtsmediziner fast machtlos sind, zum Beispiel …«
    Cookie: »Und die Einstichstelle?«
    Figo: »Kleiner als der Stich einer extrem kleinen Mücke. Und da gesetzt, wo kaum ein Pathologe nachsieht. Und wenn er nachsieht, müsste er Lupenaugen haben, um etwas zu sehen …«
    Cookie: »Unter den Augenbrauen?«
    Figo: »Zu riskant. Könnte Schwellungen geben. Zunge, Unterseite.«
    Cookie: »Und wenn der Pathologe eine Koryphäe ist?«
    Figo: »Dann sieht er einen winzigen roten Fleck, der vielleicht auch eine Einstichstelle sein könnte. Vielleicht. Aber wahrscheinlich nicht, wird er denken, weil er keine giftige Substanz hat nachweisen

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