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Die Kanzlerin - Roman

Die Kanzlerin - Roman

Titel: Die Kanzlerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenos Verlag
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geöffnet. Hinter der Theke gab es unzähligeKaffeesorten zur Auswahl, und ich habe mir sorgfältig eine ausgesucht. Eine Kellnerin brachte mir den Kaffee. Ich nahm einen Schluck und war überrascht, als sie fragte: ›Möchten Sie gerne eine Tasse von unserem Gemüsekaffee?‹ In diesem Augenblick merkte ich, dass ich aus der Kaffeetasse der Kellnerin getrunken hatte. Es war mir sehr peinlich, und ich sagte sofort: ›Das geht auf meine Rechnung, ich lade Sie ein, ich bezahle zwei Kaffee, selbstverständlich.‹«
    »Zuerst trinkst du ihr den Kaffee weg, und dann lädst du sie zu dieser Tasse Kaffee ein: Bossdorf, das ist keine Einladung, das ist eine Wiedergutmachung.«
    »Sie hatte muskulöse halbnackte Oberarme, die aber seltsamerweise nicht tätowiert waren. Jedenfalls hat sie mein Geld genommen. Als ich es zählte, äffte sie mich nach, meinen Dialekt, nicht bösartig …«
    »Das war aber eine äusserst freundliche Kellnerin, gutartig zu schwäbeln …«
    »Es war eine sehr freundliche Frau, Loderer. Aber als ich an meinen Tisch zurückkehrte …«
    »Ich dachte, du hast an einer Theke gestanden.«
    »… da hatten die meine Kaffeetasse schon weggeräumt.«
    »… also ihre Kaffeetasse.«
    »Die Tasse war noch fast voll, und ich hatte doch bezahlt. Mit einer grossen Note.«
    »Das ist wirklich ein ganz furchtbarer Albtraum«, sagte Loderer.
    »Ich war total aufgebracht und habe den Tresenhelfern gesagt: ›Das könnt ihr doch nicht machen. Ich habe zwei Tassen Kaffee bezahlt – die Kellnerin kann das bezeugen –, und jetzt ist meine Tasse verschwunden.‹ Aber die zwei Männer hinter der Theke haben nur den Kopf geschüttelt.«
    »Jedenfalls war die Geschlechterfrage in diesem Lokal geklärt«, sagte Loderer, »es sei denn, die Typen hinter der Theke hatten nackte Oberarme.«
    »Ich habe sie angebrüllt. Ich bin durchgedreht, Loderer. Weil auch die Wirtin an der Kasse den Kopf geschüttelt hat. Ich habe Klartext mit ihr geredet und gesagt: ›Sie haben eine wirklich hervorragende Kellnerin, Wirtin, aber was nichts taugt in diesem Lokal, das sind die Wirte. Das sind Sie.‹«
    »Sie war alt und hässlich …«
    »… und sie blickte so finster wie die Typen hinter der Theke. Die warmherzige Kellnerin konnte mir nicht helfen. Also habe ich das Lokal verlassen. Die Strassen waren immer noch menschenleer, alle Rollläden heruntergelassen. Aber ich wollte nicht nach Hause …«
    »Weil er dort war. Oder sie …«
    »Und dann erst«, sagte Bossdorf, »bin ich aufgewacht. Genauso erschöpft, wie ich es geträumt hatte.«
    »Ein langer Traum«, sagte Loderer.
    »Ja. Schmerzen können kurz sein, Qualen aber sind immer lang.«
    »Hörst du Musik manchmal, Bossdorf?«
    »Ich höre viel Musik, Loderer. Und wenn ich meine Mutter besuche, dann höre ich Mozart. Und manchmal glaube ich, dass ich meine Mutter nicht mehr besuchen würde, wenn ich dort nicht Mozart hören könnte.«
    »Ist sie krank, deine Mutter?«
    »Es geht ihr gut. Meiner Mutter geht es gut.«
    »Und dir?«
    »Schlecht geträumt«, sagte Bossdorf, »wie gesagt …«
    »Du bist wütend«, sagte Loderer.
    »Warum weisst du das?«
    »Weil ich auch ein Wütender bin«, sagte Loderer und verabschiedete sich.

I m hinteren Teil des Cafés Einstein – Loderer und Bossdorf hatten sie nicht bemerkt – sassen Pils und Schiller, der sozialdemokratische Boss und Genosse Vizekanzler.
    »Du steuerst die Partei in den Abgrund«, sagte Schiller.
    »Jeremias, dieser Abgrund war schon da, bevor die Partei mich zu ihrem Vorsitzenden gemacht hat.«
    »KaHa, es gibt nur drei Möglichkeiten: Entweder du paktierst mit den Altkommunisten, oder wir versuchen es mit den Liberalen, oder wir machen weiter als Schrumpfköpfe in einer grossen Koalition.«
    »So sehe ich das auch.«
    »Dann mach mich nicht zum Idioten.«
    »Was meinst du damit, Jeremias?«
    »Wenn ich jetzt einen Schwächeanfall erleiden würde, KaHa, dann müsstest du es machen. Und das Gute daran wäre: Das wäre auch ehrlich.«
    »Ich kann jetzt nicht ganz nachvollziehen, was du …«
    »Aber du wirst nachvollziehen müssen, was du selber angeleiert hast. Ich habe nicht die geringste Lust, in allen Ehren zu verlieren, Vizekanzler zu bleiben, und nach einem Jahr sprengst du die Koalition und lässt dich als neuen Zampano feiern auf dem Trampolin von de la Mare.«
    »An so etwas hab ich, und da geb ich dir mein Ehrenwort, Jeremias, noch nie gedacht, nicht im Entferntesten.«
    »Du hast an so vieles nicht

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