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Die Kanzlerin - Roman

Die Kanzlerin - Roman

Titel: Die Kanzlerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenos Verlag
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und Aussenminister Schiller, »dann kommt man mit dem Duden zum Ergebnis, dass ›definitiv‹ mehrere Synonyme hat, die alle das Gleiche meinen: Definitiv heisst abschliessend, ein für alle Mal, endgültig, für immer und vor allem: bindend. Und ich habe mich zu dieser Frage abschliessend geäussert, endgültig und bindend. Und weil man etwas, was man ein für alle Mal gesagt hat, nicht wiederholen muss, sage ich auch heute nichts mehr dazu.«
    Das Missfallen im Gesichtsausdruck der Kanzlerin war Schiller nicht entgangen. Und tatsächlich dachte sie: Glaubt Schiller allen Ernstes, mit solchen Aussagen anzukommen bei seiner Wählerschaft? Aber das war seine Sache.

    Bossdorf hatte die Pressekonferenz kurzfristig verlassen, und als er die Tür zur Toilette öffnete, stand dort Loderer. »Herr Kollege, eigentlich dachte ich, dass ich ein stilles Örtchen aufgesucht habe.«
    Loderer schwieg, wusch seine Hände und hörte, wie Bossdorf neben ihm in die Schüssel pisste.
    Er wartete, trocknete seine Hände, und Bossdorf fragte: »Und, Herr Loderer, was haben Sie für Urlaubspläne?«
    »Vielleicht eine Städtereise«, sagte Loderer, »vielleicht ein paar Tage Düsseldorf.«
    »Düsseldorf?«
    »Vielleicht auch Frankfurt oder München.«
    »Kollege Loderer, Lust auf einen Drink nach dieser sicherlich weltbewegenden PK?«
    »Gern«, sagte Loderer.

    Als die beiden wieder im Saal der Bundespressekonferenz Platz genommen hatten, fragte ein Kollege der FAZ, ob das Sommerloch für Politiker nicht auch eine gefährliche Jahreszeit sei. Worauf die Kanzlerin einen jener Sätze sagte, die Loderer zum Wahnsinn trieben: »Der Sommer ist eine wirklich angenehme Jahreszeit, und die möchte ich jetzt mit dem Begriff Loch gar nicht verknüpfen.«
    »Frau Kanzlerin, Pils, der Chef der Sozialdemokraten …«
    »Ich weiss, wer Pils ist.«
    »… hat gesagt: ›Wer Provinz negativ begreift, dem ist nicht zu helfen.‹ Nun sind Sie ja auch eine Provinzlerin. Hat Pils recht?«
    »Ich bin ein Landei wie Herr Pils, aber ich glaube, dass es genügend andere Merkmale gibt, die uns unterscheiden. Zum Beispiel bleibe ich Parteivorsitzende, wohingegen Pils Vorsitzender einer Partei ist, die ihn sitzengelassen hat.«
    »Herr Pils hat auch gesagt – ich zitiere: ›Wir verkraften nicht alle Dinge jeden Tag gleich.‹ Ist das bei Ihnen auch so, Frau Kanzlerin?«
    »Selbst wenn das bei mir auch so sein sollte, heisst das noch lange nicht, dass ich mit solchen Allgemeinplätzen irgendetwas anfangen könnte.«

    Loderer hatte sich – unbemerkt von Bossdorf – wieder aus dem Saal geschlichen, weil er im Innenhof des Gebäudes, einem spektakulär schönen Atrium, die Entwicklungshilfeministerin entdeckt hatte, mit der er gelegentlich plauderte. Merrit Amelie Kranz rauchte, und zwar so genussvoll, dass Loderer einen Kaugummi aus seinem Jackett holte und sie kauend begrüsste. »Wie alle ehemaligen Raucher«, sagte sie, »man kommt einfach nicht los davon, Herr Loderer. Selbst wenn man kaut und kaut wie Sie jetzt eben.«
    Sie war eine sehr attraktive, eine sinnliche Frau, obwohl die Jahrzehnte der Politik auch ihr Gesicht geprägt hatten.
    »Taff zu sein«, sagte Loderer, »immer taff zu wirken, das stelle ich mir ganz schön anstrengend vor.«
    »Ist es auch, Herr Loderer, ist es auch. Aber es gibt in mir eine gewisse Trägheit, die mich davor schützt, nur noch taff zu sein. Ich kann auch mal loslassen und einfach nur geniessen.«
    »Gehen Sie mit auf diese Säntisreise?«, fragte Loderer.
    »Ach, ich dachte, davon weiss niemand etwas«, sagte Merrit Amelie Kranz. »Aber so ist das halt in der Politik. Viele wissen von vielem nichts, was man wissen sollte, aber wenn etwas vertraulich sein soll, dann wissen es alle.«
    »Ich habe nur zufällig davon erfahren«, sagte Loderer.
    »Zufall oder nicht«, sagte die Ministerin. »Ich freue mich, obwohl die Bildung leider ausfällt. Frau Troost hat abgesagt, also werden nur zwei Frauen diesen merkwürdigen Kanton Appenzell Ausserrhoden besuchen.«
    »Warum merkwürdig?«
    »Weil die Frauen dort jetzt auch wählen dürfen, Herr Loderer.Also dürfen wir uns jetzt keine Blösse geben. Ich meine, keine weibliche Blösse.«
    »Ich war noch nie auf dem Säntis.«
    »Dann kommen Sie doch einfach mit.«
    »Wann fährt die Gruppe?«, fragte Loderer. »Samstag oder Sonntag?«
    »Mittwoch.«
    »Vielleicht«, sagte Loderer, »wobei, diese Reisegruppe – das ist nicht meine Gehaltsklasse.«
    »Ich spendiere Ihnen auf

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