Die Kanzlerin - Roman
Ton: volle Lautstärke. Laufzeilen: Attentat auf deutsche Minister. 25 Tote. Kanzlerin entführt? Seilbahninsassen wurden Opfer einer Kohlenmonoxidvergiftung. Das Gift strömte offenbar aus einem Feuerlöscher, den unbekannte Attentäter manipuliert hatten. Laut Bundesanwaltschaft wurden die Opfer vor ihrem Tod mit Lachgas betäubt …
Margrit liess ihren Gemüseteller stehen, holte am Automaten einen Becher schwarzen Kaffee und ging in ihr Büro.
Clara war beteiligt. Clara war an diesem Verbrechen beteiligt! Es war unfassbar. Und sie hatte ihr das Lachgas besorgt. Margrit fand den Zettel mit der Handynummer, die Clara ihr gegeben hatte. »Die Teilnehmerin ist zurzeit nicht erreichbar. Bitte versuchen Sie es später noch einmal.«
Das war’s. Margrit nahm den Telefonhörer, wählte die Notrufzentrale der Polizei und sagte: »Ich habe Informationen zum Attentat auf der Säntisbahn. Wo soll ich mich melden?«
A ls Jenny hörte, dass die Kanzlerin verschwunden, aber nicht unter den Toten in der Kabine der Säntisseilbahn war, öffnete sie leise die Tür des Schlafzimmers.
Loderer lag reglos auf dem Bauch, den Kopf aufs Kissen gedrückt, die Hände unter das Gesicht gelegt.
»Filip, die Kanzlerin lebt vielleicht noch.«
Er bewegte sich nicht, und Jenny setzte sich auf die Bettkante. »Sie war nicht unter den Toten. Die Kanzlerin ist verschwunden.«
Loderer schreckte auf. »Was heisst verschwunden? Wo ist sie?«
»Weiss man nicht«, sagte Jenny. »Jedenfalls ist sie nicht unter den Toten. RTL hat spekuliert, dass sie vielleicht entführt worden ist. Aber offizielle Informationen gibt es keine.«
»Entführt?«
Er war dran. Jetzt war er dran. Man würde seinen Bürocomputer checken. Man würde das ganze Bundespresseamt auf den Kopf stellen. In Berlin war jetzt die Hölle los, und diese Frau streifte sich die Jeans über den Po und sagte: »Du solltest dir die Haare waschen und dich etwas frisch machen. Damit man wieder auf angenehmere Gedanken kommen kann, mein Schwanz.«
»26 Tote«, sagte Loderer und stand auf.
»25«, korrigierte Jenny. »Die Kanzlerin lebt ja vielleicht noch.«
»Du verdammte Sauhure«, sagte Loderer und erkannte seine Stimme nicht, so laut, so gepresst, so absolut verzweifelt hatte er es gesagt.
»Das verdammt habe ich nicht gehört«, sagte sie, »aber Sau stimmt. Und Hure auch. Und ich dachte, das wolltest du genauso haben. Aber ich kann auch ganz brav und bieder sein und dir den Rücken massieren. Du bist verspannt. Und du siehst müde aus. Soll ich dich etwas mobilisieren, alter Mann?«
»Mach den verdammten Fernseher aus«, brüllte Loderer, und jetzt wurde es Jenny zu bunt. Kein Mann hatte das Recht, sie anzuschreien. Loderer sah, dass sie das dachte. Sie ging ins Badezimmer.
»Was machst du?«
»Ich mach mich schön, dann geh ich in die Stadt, shoppe mit deinem Geld, und vielleicht begegne ich ja einem jungen, kräftigen Mann, der Appetit hat und keine Leichen im Kopf. Oder im Keller.«
Loderer war jetzt sehr hellhörig. Was wusste dieses Luder? Wie kam sie darauf, dass er Leichen im Keller hatte? Wer war diese Frau Male?
»Sag mal, Frau Male, bevor du dich von einem jungen, kräftigen Typ durchficken lässt: Kennst du, zufälligerweise, den Namen Cookie & Co?«
Jenny öffnete die Lippen, grimassierte und trug Lippenstift auf. Sagte aber nichts.
»Warum sagst du nichts, Saufrau Male?«
»Keine Lust zum Reden.«
»Du kennst Cookie & Co?«
»Ich kenne viele Leute & Co.«
»Sagt dir der Name Jodler was?«
»Holidiholidu, judihu«, sagte Jenny und jodelte.
»Tricolor?«
»Ich mag französisches Essen. Und französische Weiblichkeit.«
»Kennst du einen gewissen Jubilar?«
»Wenn du Geburtstag hast, juble ich dir zu«, sagte Jenny, »und bald bist du achtzig und ein grosser Jubilar. Aber jetzt wäre es sehr nett, wenn du deinem Hürchen etwas Geld geben würdest. Ich will shoppen gehen.«
Plötzlich musste Loderer schneller atmen. Er war so geil, dass er sabberte und etwas Speichel über sein Kinn lief. Jenny beachtete ihn nicht und sagte: »Gibst du mir jetzt das Geld? Vergiss nicht, ich bin deine verdammte Saunutte.«
Sie waren zornig, beide, aber bei Loderer brannten jetzt alle Sicherungen durch. Er sah, wie sie sein Portemonnaie aus seinem Jackett holte und sich ein paar Scheine griff. Nuttig gestylt, wackelte sie mit dem Hintern und ging ganz langsam zur Tür.
»Bleib!«, sagte Loderer, und sie blieb stehen. »Jeans ausziehen«, sagte er, und sie gehorchte.
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