Die Kanzlerin - Roman
Hund; / Allein die bunte Fliegenbrut / Summt auf und nieder übern Rain / Und lässt sich rösten in der Glut.«
»Finden Sie das gut, Kranich? Geröstete Fliegen?«
»O Säntis, Säntis! läg’ ich doch …«
»Kranich!«
»Glücksel’ger Säntis, dir ist kühl!«
Von da an schwieg die Kanzlerin, bis Caspers die Schwägalp sah.
»Schade«, sagte sie. »Ich möchte gar nicht wissen, was da unten los ist.«
»Arme über den Kopf, Männer: hinlegen und Arme über den Kopf!« Der Einsatz einer Eliteeinheit der Schweizer Armee kam für die Kanzlerin ebenso überraschend wie für ihre Begleiter, die von mehreren Soldaten zu Boden gedrückt wurden, wobei der Kanzlerin nicht entging, dass Caspers und Kranich hart mit dem Kopf aufschlugen und aufschrien, als man ihnen Handschellen anlegte. Kranich bekam von einem Soldaten sogar einen Tritt in die Nieren. Aber Zeit zum Nachdenken hatte sie nicht: Vier Uniformierte in Tarnfarben schirmten sie ab, und der Anführer der Einsatztruppe funkte mit ruhiger Stimme: »Einsatz erfolgreich. Wir haben die Typen. Die Kanzlerin lebt. Sie ist offenbar unverletzt.«
»Wenn ich Sie um einen kleinen Gefallen bitten dürfte, bevor Sie mir dieses Theater hier vielleicht erklären, Herren Militärs: Bitte befreien Sie meinen Personenschützer Caspers von seinen Handschellen, und der Fusstritt traf meinen persönlichen Berater Johannes Kranich, der ebenfalls aus seiner misslichen Lage zu befreien ist, und zwar sofort.«
Aber als die Kanzlerin sich umschaute, hatte man Caspers und Kranich schon weggeschafft, und der Einsatzleiter sagte: »Frau Kanzlerin, auf Ihre Kabinettsmitglieder ist auf der Fahrt zum Säntis ein Attentat verübt worden. Ich freue mich sehr, dass es Ihnen gutgeht, aber mehr zu sagen, bin ich nicht befugt. Wir bringen Sie jetzt sofort in Sicherheit.«
Zwanzig Minuten später sass die Kanzlerin in einem Militärhelikopter und fragte: »Was ist passiert?« Sie hatte Durst und wünschte ein Glas Wasser, doch Wasser gab es nicht an Bord. Neben ihr sass ein Beamter des Bundeskriminalamtes, der ebenfalls nicht befugt war. Also schaute sie noch einmal zum Gipfel, bevor der Super Puma abhob.
»Bern-Belp«, sagte der Pilot, »Verteidigungsminister Fässler erwartet Sie.«
Die Kanzlerin seufzte.
» B islang unbestätigten Meldungen zufolge hat die deutsche Kanzlerin den Terroranschlag auf die Säntisseilbahn heute Morgen überlebt und befindet sich zur Stunde auf dem Rückflug nach Berlin.«
Die Eilmeldung verbreitete sich in Sekunden weltweit und löste einerseits Erleichterung aus, andererseits eine noch grössere Verwirrung.
Es dauerte nur Minuten, bis Tricolor von Cookie eine SMS bekam: »Kanzlerin lebt. Wie konnte das passieren?«
»Keine Ahnung.«
»Klär das ab, Tricolor, und räumt sofort die Wohnung in St. Gallen. Drapier die Leichen von Anarchisterix und Hardcore so, dass es eindeutig ist.«
»Und Schwarzer, der Fahnder?«
»Benutz ihn zur Dekoration. Erwarte saubere Arbeit. Cookie.«
Tricolor wusste, was zu tun war. Er ging in die Küche, überprüfte die Gasventile und Leitungen ins Schlafzimmer, wo Anarchisterix und Hardcore lagen. Er hatte die Tür verriegelt und den Schlüssel abgezogen, weil sich Ecstasy einmal mit den beiden eingeschlossen hatte und nicht mehr herauskommen wollte.
Er durfte keinen Fehler machen. Entscheidend war, dass dieErmittler davon ausgingen, dass der Terroranschlag in dieser Wohnung geplant worden war. Jodler half ihm, Lars Schwarzers Leiche aus dem Kofferraum des Autos in die Wohnung zu transportieren und auf einen Stuhl zu setzen. Tricolor überlegte, dem Toten ein Schildchen um den Hals zu hängen, vielleicht mit der Aufschrift »Ich + Ich. Nur böse Menschen haben keine Lieder« – verzichtete aber darauf. Zu plump, dachte er. Viel wichtiger war: Er musste seine DNA-Spuren auf der Leiche verwischen, was für einen Geheimdienstler kein Problem ist, und diese stattdessen mit genetischem Material von Hardcore einsalben.
Auch Jodler hatte noch etwas zu erledigen. Ecstasy und Clara sassen in ihrem Zimmer, Tricolor war beschäftigt. »Bin in einer Stunde wieder da«, rief Jodler.
Als er wiederkam, war die Wohnungsvermittlerin tot.
»Abreise«, sagte Tricolor, erstaunt, dass Ecstasy überhaupt nicht verhühnert reagierte, sondern reisefertig war.
»Die Kanzlerin lebt«, sagte Tricolor. »Aber im Übrigen: prima Arbeit. Danke. In Berlin: zwei Wochen kein Austausch. Dann wird sich Cookie melden.«
V erteidigungsminister
Weitere Kostenlose Bücher