Die Kanzlerin - Roman
sieht einen anderen Schwanz, an dem sie lutscht, bis er kommt. Der grüne Polstersessel ist verfleckt.
2. Eine Frau mit hellroten Haaren schaut mir direkt in die Augen. Sie kniet vor mir und wird von hinten durchgefickt, ganz langsam. Sie schaut mich an, als ob ich etwas dazu sagen müsste. Einmal stöhnt sie sehr laut und schaut mich danach etwas verlegen an. Ihr Mund ist leicht geöffnet, und ein zweiter Mann wichst davor, ohne ihre Lippen aber zu berühren. Man sieht nur seine Rolexuhr. Kurz bevor sie kommt, spritzt der Rolexmann ihr ins Gesicht.
3. Sie liegt mit professionell gespreizten Beinen auf einem schwarzen Ledersofa. Sie hat kleine Hände und ein banales Tattooauf einer Brust. Ein Kreuz. Sie zeigt sich. Sie weiss, dass Hunderttausende Männer vor ihr abwichsen werden, und das geilt sie auf. Sie onaniert sehr berechnend. Eine Stimme im Hintergrund sagt: ›Mach weiter‹, und sie streckt die Zunge raus.
4. Typ Mädchenfrau, in einer weissen Laborantinnenschürze. Sie hält einen Plastikbecher in der Hand und reibt an einem Schwanz. Nur kurz sieht man das Gesicht eines Mannes, der sich fast nicht mehr beherrschen kann. Die Frau hat ein regloses Gesicht und reibt, bis der Schwanz in den Becher spritzt.
Frau Male, macht es dich auch an zu wissen, dass Männer kommen müssen? Und hast du eine eher trockene oder eine eher feuchte Haut?«
Loderer war jetzt so erregt, dass er auf die Toilette ging und sich auf den Klodeckel setzte. Aber es funktionierte nicht. Also stand er auf, pisste und setzte sich wieder an sein Pult. Und schrieb: »Frau Male, ich entschuldige mich nicht, aber ich verabschiede mich. Ich wollte dich wohl, bewusst oder unbewusst, auf Distanz halten, und das mit plumpsten Worten. Und plumps – das ist mir auch gelungen. Und nun sitze ich sozusagen auf dem Trockenen, ausgedörrt und wortlos. Ich schlage darum vor, dass wir uns jetzt adieu sagen. Weil unser Ansatz nicht funktionieren kann. Ehrlich und anonym, auf diesen Rahmen haben wir uns verständigt, aber darin steckt ein Denkfehler. Weil die Ehrlichkeit zwangsläufig dazu führen würde, dass wir immer mehr Persönlichkeit hätten. Eine Frage der Zeit nur, dann wäre unsere Anonymität gesprengt. Oder wir würden uns anlügen. Ich will aber weder das eine noch das andere. Und darum, Frau Male, das Adieu jetzt. Aber ein ganz herzliches. Dein Controller.«
Keine Antwort, kein Wort, das war’s. Nach zwei Stunden verliess Loderer das Büro, setzte sich auf seinen Roller, presste die Beine zusammen, öffnete den Gashahn voll, was ihm immerhin einenkleinen Geschwindigkeitsrausch von etwa 60 Stundenkilometern bescherte. Bis zur nächsten Ampel. Und die nächste rote Ampel kommt in Berlin immer schon bei der nächsten Ampel. Berlin ist eine grüne Stadt, aber auch die einzige Grossstadt in Europa, die keine grüne Welle kennt.
Also dann bei Rot. Loderer liess sich von einem Taxifahrer übel beschimpfen, dann nahmen ihn zwei Radfahrer ins Sandwich, ein Busfahrer notierte seine Nummer, und schliesslich stürzte sich eine suizidale Frau – ebenfalls bei Rot – auf die Strasse. Sein Herz blieb stehen.
»Ich hatte Grün«, schrie die Frau.
»Du willst nicht mehr leben«, schrie Loderer.
»Du bist ein Verbrecher«, schrie sie.
Dann sagten sie beide nichts mehr, schauten sich an, und plötzlich umarmte ihn die Frau, wortlos, und ging, ging über die Strasse, und er fuhr weiter, ungefähr in seine Richtung.
C ookie: »Geruchlos, farblos, geschmacklos …«
Clara: »Wie die Politik …«
Jodler: »Wie das gemeine Volk …«
Silikon-Susi: »Eine wunderbare Substanz. Ich mag das Substantielle, ganz generell …«
Cookie: »Wir könnten ein Gemisch nehmen.«
Silikon-Susi: »Mischlinge mag ich auch. Es sind die Schönsten.«
Joker: »Warum ein Gemisch? Kohlensäure genügt. Machen wir uns das Leben nicht schwerer, als es ist.«
Jodler: »Und tot ist tot.«
DINA4: »Politiker haben einen schönen Tod verdient.«
Clara: »Aber verdient.«
Anarchisterix: »Morgenstern hat geschrieben …«
Cookie: »Die Abendsonne lacht …«
Anarchisterix: »Man dient seinem Volke auf mancherlei Weise und nicht am schlechtesten, indem man seinem politischen Leben in toto widerspricht.«
DINA4: »Kein Widerspruch.«
Silikon-Susi: »Ich mag Widersprüche.«
Cookie: »Wer hier ist, will widersprochen haben. Das verbindet uns.«
Rotkehlchen: »Schöne Leichen gibt es aber nur, wenn die Leiche, bevor sie geleicht wurde, es auch schön
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