Die Kanzlerin - Roman
mich an, ich wichse und schwitze. Schau mir zu, treib mich in den Wahnsinn.«
»Leider, Frau Male, habe ich jetzt keine Zeit mehr, weil: dein Schwanz muss arbeiten jetzt, und zwar mit dem Kopf. Also dusch mich mit ein paar kalten Worten ab. Das kannst du sicher gut, Männer frustrieren.«
»Du liebst Spielereien genauso wie ich. Und jetzt spielst du mit der Zeit, die dich rasend macht. Und vielleicht noch rasender, wenn ich dir jetzt sage, dass sich für heute Abend ein Typ angemeldet hat. Der Neunzehnjährige will mich besuchen. Und ich werde ihn empfangen. Und du kannst mir sicher sagen, in welchem Outfit ich ihm die Tür öffnen soll.«
Eifersucht. Rasende Eifersucht. Loderer war ausser sich. Kein Wort. Er würde ihr nicht mehr schreiben.
Bossdorf stand schon wieder beim Getränkeautomaten.
»Haben Sie schon gehört, Loderer?«
»Was?«
»Da ist etwas passiert.«
»Was?«
»Da stimmt etwas nicht, Loderer. Die spielen verrückt im Kanzleramt.«
»Wer spielt verrückt?«
»Ich komm nicht rein. Ich wollte der Büroleiterin eine Mappe bringen. Eine Dokumentation für die Kanzlerin. Aber man hat mich nicht reingelassen. Loderer, da stimmt etwas nicht.«
»Herr Bossdorf, ich weiss zwar nicht, was Sie der Kanzlerin aufs Pult legen wollten, aber es wäre ja, theoretisch jedenfalls, möglich, dass das, was Sie in der Hand hatten, vielleicht nicht ganz so wichtig war wie das, was heute Vorrang hatte. Und möglicherweise hat nicht alles, was wichtiger ist als Sie, automatisch eine dramatische Bedeutung.«
Bossdorf schaute ihn an, und das Erstaunliche daran war, dass Loderer in ein Gesicht schaute, das ihm nicht böse war, trotz seiner aggressiven Rede. Vielmehr sah Loderer in ein Gesicht voller Angst.
»Herr Loderer, wir sind doch Kollegen.«
»Herr Bossdorf, das haben Sie mir so noch nie zu verstehen gegeben.«
»Herr Loderer, tun Sie mir diesen Gefallen. Sagen Sie mir, wenn Sie etwas hören sollten.«
»Wie Sie wissen, Herr Bossdorf, bin ich der Letzte, der in diesem Amt etwas erfährt.«
»Aber Sie waren doch erst neulich bei der Kanzlerin …«
»Und das wissen Sie, Herr Bossdorf, das also wissen Sie. Und so bin ich mir auch ganz sicher, dass Sie sehr bald wissen werden, was Sie offenbar sehr mitnimmt. So sehr, dass Sie sogar mit mir sprechen.«
»Kollege Loderer, meiner Mutter geht es nicht gut.«
»Das tut mir leid. Was fehlt ihr denn?«
»Mal dies, mal das, es wird immer schlimmer mit ihr, und ich kann nicht helfen. Ich habe sie gestern besucht.«
»Dann besuchen Sie doch Ihre Mutter auch heute wieder, Herr Kollege.«
7.31: »Controller, du schweigst. Ich wollte dich nicht verletzen. Sag etwas.«
7.33: »Der Schwanz heute Abend, unwichtig. Ein Ersatzschwanz. Ich will dich, Controller. Und am liebsten würde ich dir jetzt deinen Stolz aus der Seele ficken.«
7.36: »Der Ersatzschwanz kommt um 22 Uhr. Willst du deinem Einmalhürchen vorher schreiben, mein Freierschwanz? Brauche deine Hilfe beim Anziehen und Schminken. Deine total versaute Frau Male.«
Loderer loggte sich aus.
Krisenstab. »Verdammt noch mal!« Die Kanzlerin war ausser sich. »Um es gleich noch einmal und ganz genauso noch einmal zu sagen: Verdammt noch mal! Herr Kordian von Aretin, wie kommen Sie auf die hirnverbrannte Idee, mich erst heute Morgen zu informieren? Und mich gestern Abend mit einer Märchenstunde in die Schlafgemächer hier im Kanzleramt zu geleiten? Gabriela Hell war für mich nicht eine x-beliebige Personenschützerin, was auch allen hier Versammelten klar ist. Herr von Aretin, und nun drücke ich mich hoffentlich zum letzten Mal so vulgär aus: Stammt die hirnverbrannte Idee, mich ruhig schlafen zu lassen in dieser Situation, von Ihnen?«
Der Kanzleramtschef senkte den Kopf und streckte einen Finger nach oben. »Herr Haxer, ich habe das nicht Sie gefragt.«
»Aber ich«, sagte Haxer, »habe das so veranlasst.«
»Dann sage ich jetzt halt noch einmal verdammt noch mal«, sagte die Kanzlerin und wurde süffisant. »Dass sich die Politiker kein anderes Volk suchen können, ist bekannt. Dass sich andererseits diese Regierung einen anderen Kanzler suchen kann, wenndas nötig sein sollte, ist jetzt auch gesagt. Dass die Kanzlerin aber, sollte sie dieses Amt noch eine gewisse Zeit ausüben wollen, den Regierungssprecher jederzeit feuern und auch den Posten des Kanzleramtschefs jederzeit neu besetzen könnte, versteht sich von selbst.«
»Ich schlage vor, dass Ihnen mein Mitarbeiter, Herr Frontzeck, jetzt
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