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Die Kanzlerin - Roman

Die Kanzlerin - Roman

Titel: Die Kanzlerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenos Verlag
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angesagt?«, fragte Verkehrsminister Fabio Coradi, ungewohnt locker an diesem Tag. »Kommt die Kanzlerin?«
    »Vermutlich ja«, sagte Klausen.
    Jetzt blätterte Finanzminister Storm in seiner Agenda. »Doch, doch, das könnte klappen.«
    »Eigentlich wollte ich an diesem Tag ins Tessin«, sagte Fabio Coradi.
    »Also ist mit Ihnen nicht zu rechnen?«
    So wollte Coradi das nicht verstanden haben. »Doch, doch, ist organisierbar.«
    Der Verteidigungsminister zögerte. »Vielleicht, vermutlich, ich glaube, ich komme auch.«
    »Also vier, wenn ich richtig gezählt habe«, sagte Klausen und schaute in die Runde.
    »Und auf deutscher Seite, welche Minister?«, fragte Coradi.
    »Frau Entwicklungshilfeministerin Merrit Amelie Kranz, Umweltminister Lothar Engel, Agrarminister Valentin Hendricks und Finanzminister Kirk Ritz.«
    Klausen wollte zum ersten Traktandum kommen, doch gab es weitere Wortmeldungen.
    Fiona Geiger, die Justizministerin, wünschte detailliertere Auskünfte über den Besuch, weil sie schliesslich für die Sicherheit der hohen Gäste wesentlich mitverantwortlich sei, woran zwar niemand zweifelte im Raum, aber wer auf Blochers Stuhl sitzt, der sagt halt gelegentlich auch Überflüssiges. Als Diller sah, dass die Aussenministerin vermutlich etwas Freches sagen wollte, tupfte er sich mit dem Zeigefinger auf die Lippen, was Coradi freute. »Es ist viel zu organisieren«, sagte Fiona Geiger, »auch wenn es sich um keinen offiziellen Staatsbesuch handelt.« Auch das war klar, aber wenn ein Politiker sich unsicher fühlt, dann will er auch das Klare geklärt haben.
    Bundespräsident Diller stimmte der Kollegin Geiger aber ausdrücklich zu, schliesslich waren sie alle etwas nervös, weil die Visite der Kanzlerin in gewissem Sinne heikler war als ein Papstbesuch. »Mit etwas Glück«, sagte er, »wird alles sehr diskret ablaufen, also ohne Medienwirbel.«
    »Treffpunkt?«, fragte Fabio Coradi, der seit Blochers Rauswurf aus dem Kollegium gelegentlich fast aufgedreht wirkte.
    »Die Deutschen werden am Flugplatz Dübendorf von derSchweizer Luftwaffe abgeholt und auf die Schwägalp geflogen«, sagte Diller. »Die Kanzlerin möchte auf der Fahrt mit der Seilbahn den Sonnenaufgang sehen, also wird die Gruppe sich schon in aller Herrgottsfrühe aufmachen müssen. Und für die Mitglieder des Bundesrates schlage ich einen Helikopterflug ab Flughafen Bern-Belp vor.«
    Es gab keine Einwände. »Eines der beiden Panoramarestaurants auf dem Säntis habe ich bereits reservieren lassen, und nun gibt es im Prinzip zwei Möglichkeiten: Entweder der Bundesrat gondelt auf den Säntis, oder er lässt sich direkt auf den Berg fliegen.«
    »Ich glaube, dass es ein Akt der Höflichkeit wäre, wenn wir unsere Gäste auf dem Säntis empfangen, also noch ein Stündchen früher aufstehen, was ja ohnehin das Übliche ist: dass Schweizer ein Stündchen früher aufstehen als Deutsche«, sagte Coradi.
    Finanzminister Storm, der Appenzeller Bundesrat, lächelte, und Bundespräsident Diller kam zum ersten Traktandum.

D ie Sonne geht jeden Tag auf, aber nur einmal, dachte die Kanzlerin, die keinen Schlaf fand in der ersten Nacht in ihrer Wohnung, nach den Geschehnissen. Sie geht nur einmal auf, diese Sonne, auf der ganzen Welt nur einmal. Aber wie viele Welten gehen unter, jeden Tag.
    5 Uhr. Sie machte sich einen Kaffee und schaute auf die Strasse. Ein ruhiger Ort. An die Sirenen von Feuerwehr, Polizei und Krankenwagen hatte sie sich gewöhnt. Aber es war keine gute Nacht. Sie hatte von weiss lackierten Fingernägeln geträumt – ein Sachverhalt, dem ihrer Auffassung nach bis jetzt zu wenig Bedeutung beigemessen wurde –, und gegen 3 Uhr morgens war sie erwacht, weil ihr Handy klingelte. Unterdrückte Rufnummernanzeige. Das würde sie klären lassen, obwohl es immer wieder Leute gab, auch hochrangige Parteifreunde, die sie mit unterdrückter Nummeranriefen, weil sie vergessen hatten, das im Menü zu ändern, und zwar fast ausschliesslich Männer. Sie war wach und so nervös, dass sie minutenlang auf den Sekundenzeiger der Wanduhr schaute und mehrmals glaubte, Geräusche zu hören, die nicht in ihre Wohnung gehörten. Sie konnte zwar von sich behaupten, keine ängstliche Person zu sein, aber offenbar hatte sie das Geschehen doch mehr beeindruckt, als sie sich eingestehen wollte. Die neuen Personenschützer, die sie in dieser Nacht bewachten, kannte sie – mit Ausnahme von Caspers – nicht. Der Kanzleramtschef hatte sämtliche Einsatzpläne

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