Die Kanzlerin - Roman
Beziehung mit ihm abgebrochen hatte. Der mutmassliche Täter nahm sich wenige Stunden später das Leben. Die ermittelnden Behörden sprechen von einem Beziehungsdrama und schliessen einen terroristischen Hintergrund aus.«
Eisele lächelte nicht, aber er war zufrieden. Diesen letzten Satz brauchte es in der Nachricht. Weil der deutsche Innenminister auf diese kleine Unsicherheit angewiesen war, die in diesem Satz steckte. Kein Dementi, aber ein Rest von Zweifel muss bleiben, dachte Eisele, wie sonst könnte er das Land schützen vor einer terroristischen Bedrohungslage, die meistens nur abstrakt behauptet werden konnte, die aber gegeben war und für die es jederzeit auch eine schreckliche Bestätigung geben könnte, auch in Deutschland, und auch wenn er fast der Einzige war, der gelegentlich daran erinnerte, an die Wachsamkeit der Bürger appellierte und, das gehörte auch dazu, dem Staat die nötigen Mittel geben wollte, um diesem Gefahrenpotential möglichst effizient zu begegnen. Aber die Menschen vergessen schnell, und die Menschen verdrängen. Bis es wieder einen 11. September gibt. Eisele trank ein Glas Rotwein und schaltete den Fernseher aus.
Boron hatte er tatsächlich gemocht, und Eisele spürte, dass er Tränen in den Augen hatte. Auch Frau Hell war eine hervorragende Kraft gewesen, aber Boron hatte ihm jene Sicherheit vermittelt,die er ganz persönlich brauchte. Was auch immer zwischen den beiden vorgefallen sein mochte, Eisele war froh, dass es da keinen Richter mehr geben konnte.
Gravierender aber war diese Mozart-Geschichte.
Die Kanzlerin war völlig dilettantisch damit umgegangen und hatte sich und das ganze Kabinett unkalkulierbaren Risiken ausgesetzt, was unverantwortlich war. Sie hatte Informationen zurückbehalten, und nun mussten BND, BKA, Berliner Kripo, Landeskriminalämter und alle anderen Dienste Spuren nachgehen, die womöglich längst ausgetrocknet waren. Die Vermutung, dass es sich bei Mozart nur um einen Spinner handelte, lag zwar nahe, weil es in der Vergangenheit immer wieder solche Wichtigtuer gegeben hatte. Aber Eisele war überzeugt, dass es sich bei Mozart nicht um einen Durchgeknallten handelte, sondern womöglich um einen sehr musikalischen Menschen. Der aber bislang leider nur auf taube Ohren stiess. Und dass ihn Haxer, der Kanzleramtschef, erst so spät über die Simsereien der Kanzlerin informiert hatte, war ebenfalls ein Grund, sich Sorgen zu machen.
Wer sich in dieser Position so naiv verhält oder unterwürfig, hat dort nichts zu suchen, dachte Eisele, entschlossen, Haxer am folgenden Tag zu sich zu zitieren und Klartext mit ihm zu reden. Eisele trank ein zweites Glas Wein und beruhigte sich schliesslich mit dem Gedanken, dass weder die britischen noch die französischen, noch die amerikanischen Dienste irgendwelche Beobachtungen in jüngster Zeit gemacht hatten, aus denen sich eine konkrete und akute Bedrohung für deutsche Spitzenpolitiker hätte ableiten lassen. Und die deutschen Dienste waren an der Sache dran.
C ookie: »Figo, Tricolor, Clara, Silikon-Susi, Rotkehlchen, Jubilar und Hardcore: alle sind zugeschaltet, Jodler macht in der Schweiz seine Höhenflüge.«
Clara: »Dann lasst uns jetzt alle miteinander beten.«
Figo: »Unterschätz diesen Eisele nicht. Ich kenn ihn gut.«
Tricolor: »Wie Parteifreunde sich halt so kennen …«
Cookie: »Stopp, sofort, ich sage stopp. Hier fällt kein Wort mehr, das auf unsere Identität verweisen könnte. Keiner kennt keinen, und keiner weiss was vom andern.«
Figo: »Aber du weisst von allen alles.«
Cookie: »Darauf haben sich alle eingelassen, das war die Voraussetzung, und sollte sich bei einer Person etwas daran geändert haben, dann kann mir diese Person das im Séparée mitteilen. Wohin ich mich mit Tricolor jetzt für zwei Minuten zurückziehe. Die andern warten.«
Cookie: »Bist du verrückt geworden? Bist du von allen guten Geistern verlassen? Was soll diese Scheisse? Wie zum Teufel kommst du dazu, Figo zu attackieren? Wenn du dich in der Hierarchie über Figo wähnst, dann täuschst du dich gewaltig. An deiner Stelle würde ich mir ernsthaft Sorgen machen.«
Tricolor: »Um was?«
Cookie: »Um deine Gesundheit.«
Tricolor: »Ich lass mir nicht drohen, auch nicht von dir, Cookie. Obwohl du, deiner Wortherkunft nach, offenbar ganz besonders intensive Duftnoten setzen möchtest. Cookie, die Verkörperung aller Sinnzusammenhänge …«
Cookie: »Wenn du dich als Comicfachmann profilieren willst, bitte.
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