Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman
Gärten.
Ihr früherer Vorgesetzter und seit Kurzem Lebenspartner Jürgen Ritter hatte sein Haus in Hamburg verkauft und die exklusive Wohnung in bester Wohnlage erworben. Kurz dachte sie an Franz und dass sie fast sieben Jahre in seiner komfortablen Villa gelebt hatte, bevor er sie wegen einer Jüngeren von heute auf morgen vor die Tür gesetzt hatte. Was, wenn Jürgen … Nein, schalt sie sich. Denk nicht so negativ. Jürgen ist anders.
Verena hatte lange Zeit um die Beziehung mit Jürgen gekämpft. Anfangs hatten die Sterne nicht günstig für sie gestanden. Sie erinnerte sich nur ungern an die Staatskanzleimorde, als Jürgen, damals noch Direktor des LKA, nach ihrem Geschmack zu viel Willfährigkeit gegenüber den Politikern an den Tag gelegt hatte. Im Jahr darauf dann die Ermordung des Spitzenkandidaten der Bürgerpartei. Erneut hatte Jürgen ein Vertuschungskomplott der Politik toleriert. Weitaus mehr noch hatte ihr allerdings zu schaffen gemacht, dass er nach ihrer ersten gemeinsamen Nacht nichts mehr von ihr wissen wollte. Als er es sich später anders überlegt und überraschend vor ihrer Wohnungstür gestanden hatte, hatte sie ihn weggeschickt. Wenn auch schweren Herzens.
Nach seinem Wechsel ins Innenministerium waren Jürgen Ritter und sie schließlich doch noch ein Paar geworden. Bei ihrem ersten gemeinsamen Urlaub Ende Februar dann sein Heiratsantrag – mit allem Drum und Dran. Jürgen war Witwer, einer Heirat stand demnach nichts im Wege. Bis auf ihre Ängste – eine Hinterlassenschaft ihrer gescheiterten Beziehung mit Franz. Sie hatte ihm vorgeschlagen, es zunächst ohne Trauschein zu versuchen.
Ihr Blick wanderte nach draußen in den strahlend blauen Himmel. Ihr fiel ein, dass auch die zwei Liegestühle noch aufgebaut werden mussten. Warum nicht damit beginnen?
Einen der beiden Stühle schob sie gleich in die Sonne und legte sich probeweise hinein. Wärmende Sonnenstrahlen, dazu Vogelgezwitscher, das Leben zeigte sich an diesem Vormittag von seiner besten Seite. Kurz nachdem sie die Augen geschlossen hatte, schlummerte sie ein. Ihr Handy riss Verena aus dem Schlaf.
Jürgen klang verärgert. Der Innenminister hatte für den späten Nachmittag eine Besprechung angesetzt. „Minister Lühmann hat Cyber-Crime als seine neue Spielwiese entdeckt. Als ob es das erst seit heute gibt. Was hat sich die Sozialpartei nur dabei gedacht, ausgerechnet einen Grundschullehrer zum Innenminister zu machen?“ Jürgen lästerte noch eine Weile über seinen neuen Chef, der so ganz anders war als sein trinkfester, konservativer Vorgänger. Dann erkundigte er sich, wie es ihr bei der körperlich anstrengenden Arbeit gehe.
„Es ist nicht einfach“, erfüllte Verena seine Erwartung, wobei sie die Amsel beobachtete, die in der Dachrinne direkt über ihr ein Nest baute.
Mit den mahnenden Worten: „Übernimm dich nur nicht!“ beendete Jürgen das Gespräch und versprach, abends Pizza mitzubringen. Die würde ihr nach getaner Arbeit guttun.
Noch ein halbes Stündchen im Liegestuhl, dann würde sie mit dem Auspacken weitermachen, nahm sich Verena vor.
Sie musste erneut eingenickt sein, denn ihr Handy weckte sie abermals unsanft. Der Direktor des LKA Niedersachsen hörte sich aufgeregt an. „Ich muss Sie leider in Ihrem Urlaub stören. Ein Mordfall. Der Landtagsabgeordnete Tobias Wächter ist gestern Abend vor seinem Haus in Isernhagen erstochen worden.“
Wieso hatte Jürgen ihr vorhin nichts davon erzählt? Ein Landtagsabgeordneter war ermordet worden. Die Alarmglocken im Innenministerium mussten Sturm läuten. Hatte der Minister ihn etwa nicht informiert?
In ihre Gedanken hinein sagte Direktor Hirschmann: „Der Innenminister ist damit einverstanden, dass Sie die Ermittlungen leiten.“
Ehe Verena protestieren konnte, fuhr ihr Vorgesetzter fort: „Ich weiß, dass Sie im Umzugsstress sind, Frau Hauser. Leider bleibt mir keine andere Wahl. Der Leiter des Dezernats für politisch motivierte Kriminalität befindet sich auf Kreta. Und Sie, Frau Hauser, haben Erfahrungen mit Mordfällen im politischen Milieu. Sie müssen sofort kommen.“
Verena gingen tausend Ausflüchte durch den Kopf. Der Umzug, die vielen unerledigten Arbeiten auf ihrem Schreibtisch und über hundert unbezahlte Überstunden. Egal was sie vorbringen würde, der Sturkopf Hirschmann würde bei seiner Entscheidung bleiben. „Ich komme“, versprach sie. Während sie den Liegestuhl unter die Balustrade zog, flog die Amsel haarscharf über ihren
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