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Die Kapuzinergruft

Die Kapuzinergruft

Titel: Die Kapuzinergruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Roth
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Zwetschkenknödeln: »Bitte genau die gleichen, sobald ich zurück bin«, sagte ich zu Jacques. »Wie befohlen, junger Herr!« sagte der Alte. Meine Mutter erhob sich, noch vor dem Kaffee, eine ungewöhnliche Handlung. Sie brachte aus ihrem Kabinett zwei dunkelrote, saffianlederne Etuis, die ich oft gesehen, bewundert und nach deren Gehalt zu fragen ich mich niemals getraut hatte. Neugierig war ich zwar immer gewesen, aber zugleich auch selig darüber, zwei unzugängliche Geheimnisse in meiner Nähe zu wissen. Jetzt endlich sollten sie mir enthüllt werden. Das eine, kleinere Etui enthielt das Bild meines Vaters in Email, von einem schmalen Goldstreifen umrahmt. Sein großer Schnurrbart, seine schwarzen, glühenden, fast fanatischen Augen, die schwere, vielfach und sorgsam gefältelte Krawatte um den überaus hohen Stehkragen machten ihn mir fremd. Vor meiner Geburt mochte er so ausgesehen haben. So war er meiner Mutter lebendig, lieb und vertraut. Ich bin blond, blauäugig, meine Augen waren immer eher skeptische, traurige, wissende Augen, niemals gläubige und fanatische. Aber meine Mutter sagte: »Du bist genau wie er, nimm das Bild mit dir!« Ich dankte und bewahrte es. Meine Mutter war eine kluge, klarsichtige Frau. Nun wurde mir's klar, daß sie mich niemals ganz genau gesehen hatte. Sie konnte mich gewiß inständig lieben. Sie liebte den Sohn ihres Mannes, nicht ihr Kind. Sie war eine Frau. Ich war der Erbe ihres Geliebten; seinen Lenden schicksalshaft entsprossen; ihrem Schoß nur zufällig.
    Sie öffnete das zweite Etui. Auf schneeweißem Samt lag ein violetter, großer, sechskantig geschliffener Amethyst, gehalten von einer zart geflochtenen goldenen Kette, mit der verglichen der Stein allzu wichtig erschien, gewalttätig fast. Es war, als hinge nicht er an der Kette, sondern als hätte er sich die Kette angeeignet und zöge sie in seiner Gesellschaft mit, eine schwache, ergebene Sklavin. »Für deine Braut!« sagte meine Mutter. »Bring es ihr heute!« – Ich küßte die Hand meiner Mutter und barg auch dieses Etui in der Tasche.
    In diesem Augenblick meldete unser Diener Besuch, meinen Schwiegervater und Elisabeth. »Im Salon!« befahl meine Mutter. »Den Spiegel!« Jacques brachte ihr den ovalen Handspiegel. Sie sah eine lange Weile ihr Gesicht an, regungslos. Ja, die Frauen ihrer Zeit hatten es noch nicht nötig, mit Schminke, Puder, Kämmen oder auch nur nackten Fingern Kleid, Antlitz, Haar zu richten. Es war, als befehle meine Mutter mit dem Blick allein, mit dem sie ihr Spiegelbild jetzt prüfte, dem Haar, dem Gesicht, dem Kleid distinguierte Disziplin. Ohne daß sie eine Hand gerührt hätte, verschwand plötzlich jede Vertraulichkeit, Vertrautheit, und ich selbst fühlte mich beinahe wie zu Gast bei einer fremden, älteren Dame. »Komm!« sagte sie. »Gib mir den Stock!« – Der Stock, dünnes Ebenholz mit silbernem Knauf, lehnte neben dem Stuhl. Sie brauchte ihn nicht als Stütze, sondern als Abzeichen ihrer Würde. Mein Schwiegervater im Schlußrock, mit Handschuhen eher bewaffnet als ausgestattet, Elisabeth im hochgeschlossenen silbergrauen Kleid, ein diamantenes Kreuz an der Brust, größer als sonst und so blaß wie die mattsilberne Agraffe an ihrer linken Hüfte, standen beide aufrecht, starr beinahe, als wir eintraten. Der Schwiegervater verbeugte sich, Elisabeth versuchte einen halben Knicks. Ich küßte sie unbekümmert. Der Krieg enthob mich aller überflüssigen zeremoniellen Verpflichtungen. »Verzeihen Sie den Überfall!« sagte mein Schwiegervater. »Es ist ein angenehmer Besuch!« verbesserte meine Mutter. Sie sah dabei Elisabeth an. In ein paar Wochen wäre ich wieder daheim, scherzte mein Schwiegervater. Meine Mutter saß auf einem schmalen, harten Rokokostuhl, aufrecht, wie gepanzert. »Die Menschen«, sagte sie, »wissen manchmal wohl, wann sie wegfahren. Sie wissen niemals, wann sie zurückkommen.« Dabei sah sie Elisabeth an. Sie ließ Kaffee in den Salon reichen, Likör und Cognac. Sie lächelte nicht einen Augenblick. Sie heftete in einem bestimmten Moment ihren Blick auf meine Blusentasche, in der ich das Etui mit dem Amethyst aufbewahrt hatte. Ich verstand. Ich hängte, ohne ein Wort, die Kette um den Hals Elisabeths. Der Stein hing über dem Kreuz. Elisabeth lächelte, trat zum Spiegel, und meine Mutter nickte ihr zu; Elisabeth legte das Kreuz ab. Der Amethyst schimmerte in einem gewaltsamen Violett auf dem silbergrauen Kleid. Er erinnerte an gefrorenes Blut auf einem

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