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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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seiner Sonette. »Wer fröhlich sein will, sei es! Über das Morgen gibt es keine Gewissheit.«
    Angelo weinte, als der Leibarzt von Ludovico Sforza, den Il Moro aus Mailand geschickt hatte, am 5. April Lorenzos Schlafzimmer betrat. Er verschrieb dem Sterbenden eine Medizin aus zerstoßenen Perlen und Diamanten aus den Schatzkammern Mailands, die er in Lorenzos Krankenzimmer geräuschvoll mit seinem Mörser zerkleinerte. Doch Lorenzo weigerte sich, das kostbare Pulver einzunehmen. Angelo war so niedergeschmettert von dem Eigensinn seines Freundes, dass er mit Tränen in den Augen aus dem Schlafzimmer floh. Auch Giovanni konnte Lorenzo nicht dazu bringen, eine weitere Phiole Aurum potabile zu trinken oder wenigstens das Opium zu nehmen, das sein Medicus ihm geben wollte.
    »Ich will bei klarem Verstand sterben«, forderte Lorenzo, »umgeben von Menschen, die bei Verstand sind. Also hört endlich alle auf mit eurem Totentanz um mein Bett!«
    Er blieb bei Verstand, bis zur letzten Minute. Er fühlte, wie sein Körper verfiel, immer schwächer wurde, bis er kaum noch eine Hand heben konnte. Er sah, wie wir litten. Er hörte, wie wir hinter der geschlossenen Tür weinten. Aber während wir in der Agonie unserer Trauer von seiner wundersamen Genesung durch das Lebenselixier träumten, das wir am nächsten Tag zu finden hofften – und wenn nicht morgen, dann übermorgen! –, war er wacher als wir alle zusammen.
    Am 8. April beichtete Lorenzo seine Sünden und empfing durch Fra Mariano die Sterbesakramente. Dann lag er schweigend auf dem Bett und schien auf etwas zu warten.
    »Er wird kommen!«, flüsterte er immer wieder. »Er wird kommen!«
    Und er kam. Die Sonne war bereits untergegangen, als Savonarola in das Schlafzimmer trat. Niemand hatte ihn gerufen, aber trotzdem war er gekommen. Er blieb in der Tür stehen, ohne ans Bett zu treten, ohne Lorenzo die Hand zu reichen, ohne ein Wort zu sagen. Das Schweigen zwischen Lorenzo und Fra Girolamo sagte mehr als tausend Worte. Es sprach von gegenseitigem Respekt, von Vernunft und Verantwortung.
    »Gebt mir Euren Segen, Girolamo!«, bat Lorenzo.
    Zögernd trat der Frater näher und ließ sich auf dem Rand des Bettes nieder. Er hielt Lorenzo den hölzernen Crucifixus hin, den er an einem Lederband unter dem Skapulier trug. »Haltet fest am Glauben, Lorenzo!«
    »Das tue ich«, versprach dieser, als er das Kreuz küsste.
    »Bessert Euch!«, forderte der Dominikaner.
    »Ich will es versuchen«, lächelte Lorenzo müde. »Aber ich habe nicht mehr viel Zeit …«
    »Begegnet dem Tod mit Mut!«
    »Ich bin bereit, wenn es Gottes Wille ist, dass ich sterben soll«, hauchte Lorenzo, den seine Kräfte zusehends verließen.
    »Dann werden Euch Eure Sünden vergeben, Lorenzo.«
    Giovanni konnte angesichts der Versöhnung zwischen seinem Freund Girolamo und dem sterbenden Lorenzo die Tränen nicht mehr zurückhalten. Schluchzend eilte er aus dem Raum.
    Fra Girolamo und Lorenzo beteten gemeinsam das Pater noster, dann erhob sich der Prior vom Bett und verließ nach dem »Vergib uns, wie auch wir vergeben« schweigend und mit gesenktem Blick das Sterbezimmer.
    »Lasst mich jetzt allein!«, bat uns Lorenzo.
    Piero, Angelo und ich erhoben uns und verließen den Raum. Lorenzo wollte keinen tränenreichen Abschied, und wir fügten uns seinem Wunsch. Ist nicht der Tod – Senecas Sterbenkönnen und Sokrates’ Sterbenwollen – die letzte Freiheit, die einzige Handlung, die uns von der Notwendigkeit des Handelns befreit: die Erlösung?
    »Caterina!«, rief er mich zurück.
    Ich wandte mich an der Tür zu ihm um.
    »Eine einzige Verfehlung habe ich noch zu beichten«, flüsterte er.
    »Soll ich Fra Girolamo zurückholen?«, bot ich ihm an. »Er ist noch im Hof …«
    »Nein, Caterina! Ich habe sie nicht ihm zu beichten, sondern dir!«
    »Mir?«, fragte ich verblüfft.
    »Setz dich zu mir«, bat er mich, als er meine Hand ergriff. »Was ich dir jetzt erzählen werde … war die größte Verfehlung … die ich in meinem Leben begangen habe. Und doch hat sie mich am Ende glücklich gemacht …«
    »Lorenzo, bitte schone dich.« Ich strich ihm sanft über das Haar.
    »Nein, ich will … darüber sprechen, Caterina. Ich muss. Danach können wir uns beide … für den Rest unseres Lebens … anschweigen. Wie Giuliano, den du für deinen Vater hältst, mich angeschwiegen hat … Die Entscheidung liegt bei dir!«
    »Ich verstehe kein Wort von dem, was du sagst, Lorenzo«, flüsterte ich sanft. »Was hast

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