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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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du denn so Furchtbares getan, dass dein Bruder und du derart in Streit gerietet?«
    »Ich habe Giuliano verletzt … gedemütigt. Ich habe ihm … seine Geliebte … weggenommen«, flüsterte er. Er rang nach Atem, das Sprechen fiel ihm schwer. »Ich habe Simonetta so sehr geliebt.«
    »Simonetta?«, fragte ich verblüfft. Hatte Lorenzo am Ende doch noch den Verstand verloren? Ich warf der Opiumflasche auf seinem Nachttisch einen flüchtigen Blick zu. Sie war halb leer.
    »Ich hatte eine Affäre mit … Simonetta. Wir haben uns heimlich getroffen. Als Giuliano dahinter kam, gab es … gab es einen furchtbaren Streit zwischen uns.« Lorenzo weinte, und ich wischte ihm zärtlich die Tränen aus dem Gesicht. »Erst an Simonettas Grab konnten wir … uns die Hand reichen.«
    Ich schwieg und versuchte zu begreifen, was er mir sagen wollte.
    »Wenn ich gewusst hätte … dass Simonetta schwanger war … Ich hätte dich zu mir genommen, Caterina, das musst du mir glauben! Trotz meiner Auseinandersetzung mit meinem Bruder … Ich wusste, dass Gott mir vergeben hatte, als du plötzlich im Palazzo Medici aufgetaucht bist … Bitte vergib auch du mir, Caterina!«
    »Was hätte ich dir zu vergeben, Lorenzo?«, fragte ich leise.
    »Ich habe dir verschwiegen … dass du meine Tochter bist. Bitte verzeih mir! Ich konnte nicht anders handeln! … Du wärest so schnell aus meinem Leben verschwunden, wie du hineingeraten warst. Ich hätte dich an einen Gemahl wie Alfonso d’Este verloren … Ich habe gesehen, wie du dich gegen eine Ehe mit Giovanni Sforza gewehrt hast. Ich hätte … dein Unglück … nicht ertragen.« Er rang nach Atem.
    Wie benommen starrte ich ihn an, unfähig ein Wort zu sagen. Nicht einmal eines der Vergebung.
    Ich war seine Tochter!
    »Warum hast du es all die Monate für dich behalten, Vater?«, fragte ich nach einer Weile. »Und warum erzählst du es mir jetzt?«
    »Du hast das Recht, eine eigene Entscheidung zu treffen. Du hast dich … vor Monaten entschieden, nicht mehr Caterina Vespucci zu sein. Ich will, dass du dich heute Nacht entscheidest, ob du Giulianos oder meine Tochter sein willst … Siehst du das Pergament auf dem Tisch? Nimm es, Caterina! Es ist deine formelle Anerkennung als meine Tochter. Du kannst damit tun, was du willst. Zerreiße es oder zeige es der Welt!«
    Ich trat an den Tisch und nahm das Pergament in die Hand. Dann kehrte ich zum Bett zurück. »Ich werde …«
    »Ich will es nicht wissen, Caterina«, unterbrach er mich. »Ich bin sicher, dass du … was auch immer du tust … dich richtig entscheiden wirst … für den Frieden.«
    Das war das letzte Wort, das Lorenzo sprach: Frieden.
    Ich blieb neben seinem Bett stehen, bis er seinen Geist ausgehaucht hatte. Ich war so leer, dass ich keine Tränen mehr hatte. Dann beugte ich mich über ihn und schloss dem Mann, der für eine Stunde mein Vater gewesen war, die Augen. Die restlichen Stunden dieser Nacht verbrachte ich stehend vor seinem Bett.
    Das war von nun an die Haltung, mit der ich Gottes unbarmherzige Schläge entgegennahm: aufrecht und stolz, unbesiegt und kein bisschen demütig.

    Am nächsten Morgen wurde Lorenzos Leichnam nach Florenz gebracht und im Konvent von San Marco aufgebahrt.
    Ich stand am Sarg meines Vaters und fühlte mich wie eine Schiffbrüchige, die nur einen Balken hat, an dem sie sich festhalten kann, die sich einredet, das eisig kalte Wasser, in dem sie hilflos treibt, sei warm, die hofft, bald gerettet zu werden. Die hofft, weil es das Letzte ist, was sie tun kann – nur um am Leben zu bleiben.
    Der Bannerträger der Republik erschien gegen Mittag, um der trauernden Familie des Regenten sein Beileid auszusprechen. Er versuchte Piero zu überreden, Lorenzo ein Staatsbegräbnis zu ermöglichen, aber mein Cousin … mein Bruder weigerte sich. Lorenzo hatte ein Begräbnis als Florentiner Bürger gewünscht.
    Nach Sonnenuntergang wurde der Sarg von acht Fackelträgern am Palazzo Medici vorbei zur Kirche San Lorenzo gebracht, wo Lorenzos Vater Piero, sein Großvater Cosimo und sein jüngerer Bruder Giuliano begraben lagen. Die stille Fackelprozession durch die Straßen von Florenz war eindrucksvoll. Niemals zuvor und auch nie wieder danach habe ich die Via Larga so voller Menschen gesehen – nicht einmal, als dieselben, die sich in Ehrfurcht vor Lorenzos Sarg verneigten und ihm ihre tränenerstickten Segenswünsche hinterherriefen, uns ein paar Monate später mit Gewalt aus Florenz vertrieben.
    Lorenzos

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