Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
unbesiegbar ist, sondern weil er sich selbst beherrscht. Mit einem Lächeln.«
»So wie du jetzt gerade, Tochter der Medici«, sagte Gianni ernst.
Er reichte mir seinen Arm, und wir kehrten gemeinsam zu den Gästen zurück, die sich im Speisesaal versammelt hatten. »Caterina, versprich mir, dass du auch Lorenzo niemals allein lässt! Er braucht dich im Moment dringender als ich.«
»Ich werde bei ihm sein bis zu seinem letzten Atemzug«, versprach ich leise.
Das Festmahl an diesem Abend war eines der glanzvollsten, das jemals im Palazzo Medici veranstaltet wurde. Die Fürsten Italiens hatten nicht nur ihre Botschafter nach Florenz entsandt, sondern auch Verwandte. Ludovico hatte erneut Giovanni Sforza in den Palazzo Medici geschickt. Francesco Gonzaga, der Marchese von Mantua, war mit seiner Gemahlin Isabella d’Este erschienen. Ihr Bruder, Alfonso d’Este, der älteste Sohn des Herzogs Ercole von Ferrara, war der begehrteste junge Mann des Abends, nachdem Herzog Guido den Besuch in Florenz kurzfristig abgesagt hatte. Er litt wie Lorenzo an der Gicht, und ein schmerzhafter Anfall hatte seine Abreise aus Urbino so lange verzögert, dass er schließlich daheim bleiben musste.
Niccolò war beeindruckt von der Versammlung der Fürsten im Palazzo Medici. Er nannte Giannis Kardinalswürde die Leiter, auf der die Medici den Himmel erklommen. Niccolò hatte Recht: An diesem Abend hatten wir den Zenit des Firmaments erreicht. Es war ein langer Weg gewesen von Averardo de’ Medicis winziger Casa bis zum glanzvollen Palazzo in der Via Larga: nur wenige Schritte die Straße hinauf – aber ein langer Weg von einer unbekannten Kaufmannsfamilie, die ein paar zerfallene Häuser in Florenz besaß, bis in die höchste Hierarchie der Kirche, in die mit Giannis Kardinalsinvestitur an diesem Abend ein Mitglied der Familie Medici aufgenommen wurde.
Lorenzo hatte teuer dafür bezahlt, dass die Medici nun wie die Dynastien der Aragón von Neapel, der Sforza, der d’Este und Gonzaga einen Sitz im Kardinalskollegium innehatten.
Wenn er diesen Triumph der Medici doch nur miterleben könnte!, dachte ich immer wieder, während ich ausgelassen mit Alfonso d’Este tanzte, mit Giovanni Sforza, mit Gian Giordano Orsini, mit Francesco Gonzaga, mit Bischöfen, Erzbischöfen, Kardinälen, mit … ich weiß es nicht mehr! Ihr Ruhm ist verblasst, das Ansehen der Medici nicht. Das Lächeln ist uns nie vergangen – trotz allem, was in den nächsten Monaten in Florenz geschah …
Drei Tage später, am 12. März 1492, verließ Gianni in leuchtend purpurfarbenem Kardinalsornat in Begleitung von Giulio und Giuliano die Villa in Careggi und machte sich auf den Weg nach Rom. Lorenzo sah ihm vom Fenster seines Schlafzimmers aus nach, bis der lange Tross hinter den Hügeln verschwunden war.
Ahnte er, dass er seinen Sohn niemals wiedersehen würde?
Er wusste es.
Am Abend nach Giannis Abreise hatte Lorenzo einen so schweren Anfall, dass Angelo und Giovanni ihn ins Bett brachten. Marsilio Ficino, der nicht weit entfernt wohnte, diskutierte die halbe Nacht mit ihm, um ihn von seinen Schmerzen abzulenken. Am nächsten Morgen kamen seine Freunde von der Platonischen Akademie, um Lorenzo aufzuheitern. Es gelang ihnen nicht, weil sie selbst zu verstört und traurig waren, um einem Sterbenden ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern.
Schließlich hatte Lorenzo, der die drückende Atmosphäre in der Villa spürte, der wusste, wie wir alle litten, Erbarmen mit uns und brachte seine Freunde durch Scherze zum Lachen. »Wer immer hofft, stirbt singend«, zitierte er mit einem fröhlichen Grinsen ein altes toskanisches Sprichwort. »Meine gute Laune müsst ihr totschlagen, bevor ihr mich ins Grab legt«, ermahnte er uns, »sonst werde ich in San Lorenzo keine Ruhe finden.«
Am 21. März verabschiedete sich Lorenzo von seinen Freunden und seiner Geliebten Lucrezia Donati, die tagelang an seinem Bett gewacht hatte, und schickte alle aus dem Haus. Er blieb allein mit Giovanni, Angelo, Piero und mir. Und sich selbst.
Stundenlang lag er auf seinem Bett, hielt die Augen geschlossen, als wollte er sich schon an die Finsternis gewöhnen, schwieg, dachte nach. Hin und wieder diktierte er Piero Anweisungen, die er nicht mehr selbst niederschreiben konnte. Seine Finger konnten keine Feder mehr halten. Dann lag er wieder still.
» Quant’ è bella la giovanezza – wie schön ist die Jugend, die uns entflieht!«, sang Lorenzo leise und mit geschlossenen Augen eines
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