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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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purpurfarbenem Ornat auf der Loggia neben dem Portal der Kathedrale San Pietro. Ich erkannte Gianni und winkte, aber er sah mich nicht. Er hatte sich umgedreht und schien jemanden zu erwarten, der hinter ihm stand. Eine weiße Soutane tauchte aus den Schatten auf und verschwand wieder zwischen den purpurfarbenen Roben.
    Schließlich trat einer der Kardinäle, ich glaube, es war Kardinal Michiel aus Venedig, an die Brüstung der Loggia und verkündete mit lauter Stimme urbi et orbi: » Habemus Papam! Wir haben einen Papst!« Man hörte ihm seine Erleichterung an, dass die schwierige Wahl nach sechs Tagen endlich beendet war. Warum hatte er selbst aufgegeben? Was war geschehen hinter dem zugemauerten Portal der Sixtina?
    Ein hoch gewachsener, fülliger Mann in weißer Soutane trat neben ihn und hob beide Hände, um Rom und die Welt zu segnen.
    Ich drängte mich durch die Reihen der Wartenden nach vorn, um ihn erkennen zu können.
    Es war nicht Giuliano della Rovere!
    Wie versteinert stand ich auf der Piazza und starrte hinauf zum neuen Papst, der fröhlich lachend winkte und immer wieder seinen Segen spendete.
    Ein lächelnder Papst!, dachte ich verwirrt. Wie hat er die machtgierigen und ruhmsüchtigen Kardinäle von sich überzeugen können? Doch wohl nicht mit unbeschwerter Liebenswürdigkeit …
    »Habemus Papam!« , wiederholte Kardinal Michiel mit lauter Stimme: »Kardinal Rodrigo Borgia ist Papst Alexander VI .«

Kapitel 7
Kampf dem Drachen!
    T öte den Drachen!«, hatte Bernardo da Treviso geschrieben. »Töte ihn, bevor er sich mit dir vereinigt!« Doch wie sollte das geschehen? Der Drache, der mich bedrohte, war der stärkste und mächtigste Herrscher, der Führer der Christenheit. Dort oben stand er und winkte und lachte so ausgelassen, als hätte er gerade ein Pferderennen gewonnen.
    Ich erinnerte mich an ein Gemälde von Sandro Botticelli in Lorenzos Audienzsaal, auf dem ein herrlicher Ritter in goldener Rüstung auf einem Pferd den Feuer speienden Drachen erlegt. Ich hatte keinen Ritter in meinem Gefolge. Weder Giovanni Sforza noch Gian Giordano Orsini hatte ich erhört – und auch nicht Niccolò Machiavelli. Nicht einmal Giovanni würde für mich kämpfen. Und mein allmächtiger und unfehlbarer Bruder Piero konnte es mit Cesare und seinem Unheiligen Vater nicht aufnehmen. Meinen Feldzug gegen den Drachen würde ich ohne einen Ritter in goldener Rüstung gewinnen müssen. Ich war sowieso nicht die verängstigte Prinzessin, die am Rand des Gemäldes abwartet, bis ihr Held mit seinem Schwert gesiegt hat. Nein, ich würde selbst den Drachen töten! Ohne Rüstung und ohne Schwert. Ich würde zuschlagen, wenn er am wenigsten damit rechnete. Im Schlaf. Im Bett.
    Gianni beugte sich über die Brüstung der Loggia von San Pietro und gab mir das verabredete Zeichen, ihn in der Basilika zu treffen. Ich winkte zurück, ignorierte den neben mir auftauchenden, noch ganz verschlafenen Gian Giordano und drängte mich durch die jubelnde Menge die Stufen hinauf zum Portal der Kathedrale. Dann durchquerte ich den von Arkaden gesäumten Brunnenhof, der wegen der frühen Morgenstunde noch in schwarze Schatten getaucht war, und betrat durch das Bronzetor die fünfschiffige Basilika. Niemand folgte mir.
    Es war dunkel in der Kirche, und durch die zwölf kleinen Fenster unter den schiefen, ein Jahrtausend alten Dachbalken fiel kaum der goldene Schimmer des beginnenden Tages. Und doch konnte ich in der Finsternis erkennen, dass die Kirche eine Baustelle war. Die geborstenen Marmorsäulen des Mittelschiffs mussten abgestützt werden, mehrere Holzbalken bewahrten den morschen Dachstuhl vor dem Einsturz, die Fresken in der Apsis waren verblasst und der Verputz gerissen. Der Tempel Gottes war so einsturzgefährdet wie die ganze Ecclesia Dei.
    Heilige Stille umfing mich – oder war es nur die Ruhe vor dem Sturm? Ich war allein mit Gott.
    Mit geballten Fäusten stand ich vor dem Altar am Grab des Apostels Petrus und starrte wütend zu dem Mosaik eines Gottes hinauf, der, zornig über meinen trotzigen Eigenwillen, die Sinnhaftigkeit der Wahl Seines Stellvertreters auf Erden anzuzweifeln, im Licht der Altarkerzen zu mir herabfunkelte. Wir würdigten uns gegenseitig keines Wortes – kein Gebet um meinen Seelenfrieden, keine neuen Leidensankündigungen.
    Als Gianni die Kirche betrat und auf mich zueilte, wandte ich mich um. Er ergriff meine Hand und zog mich in die Schatten einer Kapelle. Dort umarmte er mich und flüsterte: »Wo ist

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