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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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wolkenschwarzen Himmel.
    »Es ist das erste Mal in der Geschichte des Palio, dass der Sieger seinen Sieg von der Tribüne aus beobachtet«, lachte Cesare vergnügt, als er neben mir auftauchte und sich den Staub von der Hose klopfte.
    Ich ging auf ihn los: »Du verrückter …«, aber er schloss mich in seine Arme und küsste mich auf den Mund. Ich rang nach Atem und fragte: »Du bist abgesprungen, um zu gewinnen, nicht wahr?«
    »Ja«, grinste er übermütig.
    »Du hättest dich verletzen können!«
    »Ja, hätte ich«, gab er zu. »Kein Spaß, kein Sieg ohne Risiko!«
    Kein Sieg ohne die Gefahr zu stürzen, dachte ich. Spielte ich nicht letztlich mit demselben Einsatz wie Cesare?
    Ich umarmte ihn und flüsterte ihm, unhörbar für alle Umstehenden, meine Nachricht ins Ohr. »Das Konklave ist seit dem Morgengrauen beendet. Dein Vater ist jetzt Papst Alexander VI .«
    Und wie ein Zeichen Gottes unterstrich ein gewaltiger Donner meine Worte. Vom Himmel herabsteigende Erzengel und eine tosende Stimme aus dem Sturm hätten mich nicht mehr erschüttern können, als ich es nach der Wahl Papst Alexanders schon war.
    Cesare küsste mich leidenschaftlich. Es schien ihm gleichgültig, wie viele Menschen ihm dabei zusahen. Seine Augen funkelten zufrieden, als er verschwörerisch flüsterte: »Lass uns meinen und den Sieg meines Heiligen Vaters heute Nacht feiern, Geliebte!«
    Statt einer Antwort lächelte ich.
    Ich war nicht nach Siena gekommen, um mit Cesare eine leidenschaftliche Nacht zu verbringen. Noch im Morgengrauen hatte ich auf der Piazza San Pietro geschworen, den Drachen zu töten – und nun wollte ich mich ihm hingeben? Hatte ich den Verstand verloren, ernsthaft in Betracht zu ziehen, mit Cesare in dieser Nacht in einem Bett zu schlafen? Es wäre ein Vergnügen, denn er war ein leidenschaftlicher, zärtlicher Liebhaber, aber ich ging auch ein enormes Risiko ein! Wenn Giovanni davon erfuhr … er war doch derjenige, den ich liebte, verehrte, anbetete … wenngleich ich auch keine Hoffnung hatte, dass er mir jemals mehr als ein Lächeln schenken würde …
    Unter Cesares verführerischem Lächeln schmolz der letzte klägliche Rest meines Widerstandes dahin wie Schnee in der Sonne. Wie sehnte ich mich nach seinen zärtlichen Händen auf meiner Haut, seinen sinnlichen Lippen, seinem geflüsterten »Te quiero« . Ja, ich gestehe: Ich wollte geliebt und begehrt werden.
    Die Nacht mit Cesare, versuchte ich mir einzureden, würde mich meinem Ziel einen Schritt näher bringen: dem Tod des glückselig schlafenden Drachen. Und ich nannte ihn verrückt …
    Wie nicht anders zu erwarten war, protestierte Francesco Gonzaga, der das Rennen gewonnen hätte, wenn Cesare nicht vom Pferd gesprungen wäre, bei der Signoria gegen diese Regelverletzung. Die Signori wanden sich wie Schlangen im heißen Sand. Der Marchese von Mantua war ein einflussreicher Fürst, der Bischof von Pamplona war der Sohn des allmächtigen Vizekanzlers der Kirche – der Bote aus Rom war noch nicht eingetroffen. Mit keinem von beiden wollte es sich die Stadt Siena verderben. Das Urteil hätte auch König Salomon nicht besser sprechen können. Und die beiden Sieger des Rennens reichten sich die Hand.
    Die ersten Tropfen des Gewitterregens fielen auf das Steinpflaster der Straße, als wir alle zu einer ausgelassenen Siegesfeier in den Palazzo Chigi zurückkehrten, wo auch Cesare und Francesco Gonzaga mit ihrem Gefolge wohnten.

    Nicht mit einem und nicht mit tausend Worten kann ich sagen, was ich in dieser Nacht empfand. Wie Dante hatte ich den Weg verloren, wie Dante stieg ich hinab in das tosende Inferno meiner Gedanken und Erinnerungen – mein Führer war die Wahrheit … oder das, was ich dafür hielt. Immer wieder versuchte ich mir einzureden, ich täte es für meine Liebe zu Giovanni, der sich mir seit Lorenzos Tod mit einer Beharrlichkeit verweigerte, die mich verletzte, oder ich täte es, um den Sturz der Medici zu verhindern, für Gianni, Giulio, Piero, ich täte es, um den Drachen zu töten – nicht in dieser Nacht, aber irgendwann, eines Tages …
    Dass ich es allein für mich selbst tat, weil ich Cesares Leidenschaft genoss wie ein heißes Bad an einem eisigen Wintertag, weil ich seine Hände, seine Lippen, seine Haare auf meiner Haut spüren, weil ich seine verliebten Worte hören wollte, weil ich die Liebe entbehrte wie ein Verdurstender in der Wüste das Wasser, weil ich einen flüchtigen, endlosen Augenblick in meinem Leben schwach sein

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