Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
wie mein Aufenthalt in Rom gewesen war.
»Sigismondo reitet im Rennen mit. Er ist dort drüben, auf der anderen Seite des Platzes.«
Dankbar nahm ich eine kühle Erfrischung an, die eine Dienerin mir reichte. Dann spähte ich über die Piazza, auf der Suche nach einem bekannten Gesicht. Die Fahnenträger der Stadtviertel warfen ihre riesigen Flaggen in den Himmel, fingen sie geschickt wieder auf, schwenkten die Banner knatternd im leisen Sommerwind, sprangen darüber hinweg, tauchten darunter hindurch, richteten sich auf und warfen die Fahnen erneut. Ein herrlicher Anblick! Die ganze Piazza war ein Meer aus Licht, Staub und Farben. Erneut zuckte ein greller Blitz über den sich in allen Schattierungen von Indigoblau und Gold verdüsternden Himmel über Siena.
In diesem Augenblick galoppierte Francesco Gonzaga, der Marchese von Mantua, an mir vorüber, um in einer Wolke aus goldenem Staub zu wenden und zur Westseite des Platzes zurückzukehren – in den Schatten.
Sigismondo hatte mich neben seinem Bruder gesehen und kam herübergeritten, um mich zu begrüßen. »Viel Glück!«, rief ich ihm nach, doch ein gewaltiger Donner übertönte meine Worte.
Cesare trabte heran und zügelte sein Pferd direkt vor Agostinos Loge. Er verneigte sich höflich vom Pferderücken aus. »Caterina! Welch eine Freude! Wie war es in Rom?«
Woher, zum Teufel, wusste er, dass ich in Rom gewesen war? Ich neigte geheimnisvoll lächelnd den Kopf: »Euer Eminenz! Ich hoffe, Ihr habt nach dem Rennen einen Augenblick Zeit für mich.«
Cesare hatte die förmliche Anrede als Kardinal bemerkt. Er konnte sich denken, was ich nach dem Palio mit ihm besprechen wollte. Hatte er doch an der Wahl seines Vaters nie einen Zweifel gehabt! Ein zufriedenes Lächeln umspielte seine Lippen: »Für gute Nachrichten und schöne Frauen, die sie mir überbringen, habe ich immer Zeit. Wenn du dich ein paar Minuten gedulden willst – ich habe ein Rennen zu gewinnen. Dann können wir meinen Sieg feiern. Die ganze Nacht …«
»Ich werde auf dich warten«, versprach ich.
Er lachte übermütig in das Donnern des Gewitters hinein, neigte den Kopf, wendete sein Pferd und ritt zur Startmarke hinüber.
Ein paar Minuten später begann das Rennen unter dem lauten Gejohle der Zuschauer. Die Reiter hieben ihren Reittieren die Fersen in die Flanken und stürmten los. Sie ritten ohne Sattel, was den Wettkampf auf der mit losem Sand bestreuten Piazza gefährlich machte. Wenn einer der Reiter fiel oder sein Pferd strauchelte und stürzte, konnte er leicht unter die Hufe geraten und sich schwer verletzen.
Francesco Gonzaga führte für zwei Runden das Rennen an, dann überholte ihn Sigismondo in der scharfen Kurve vor dem Palazzo Pubblico. Cesare hielt sich dicht hinter ihm. Er lachte ausgelassen, als er so dicht an meiner Loge vorübergaloppierte, dass sein Stiefel die Absperrung streifte.
Er hätte sich verletzen können!, dachte ich ärgerlich – und war überrascht über mich selbst. War ich wütend, weil Cesare sich durch seine Tollkühnheit in Gefahr brachte? Oder war ich verwirrt, weil er noch immer solche Funken des Gefühls aus mir schlug? Ich hatte geglaubt, dass ich ihn nicht mehr liebte. Es wäre alles so viel einfacher gewesen – und weniger verwirrend –, wenn ich ihn gehasst oder verachtet hätte. Aber Cesare war mir selbst zu ähnlich, als dass ich ihn hassen konnte. Dieses Selbstgeständnis war bitter und süß zugleich.
Die vierte Runde war ein Zweikampf zwischen dem Marchese von Mantua und dem Bischof von Pamplona, die Seite an Seite in die Gerade vor dem Palazzo Pubblico einbogen. Francesco Gonzaga lenkte sein Pferd rücksichtslos gegen Cesares und versuchte, ihn von der Sandbahn zu drängen. Beinahe wäre Cesare gestürzt, aber dann wehrte er sich mit gezielten Schlägen seiner Reitgerte.
Dann lag der Marchese eine Pferdelänge vor dem Bischof. In diesem Augenblick geschah es: Cesare stürzte! Er fiel vom schweißnassen Pferderücken auf den Sandboden und wirbelte zur Seite, um den Hufen der nachfolgenden Pferde auszuweichen. Ein Aufschrei ging durch die Menge.
Ich sprang auf von meinem Sitz.
Cesare blieb einen Augenblick lang benommen liegen, dann erhob er sich.
Ich atmete erleichtert auf: Er war nicht verletzt!
Sein Pferd, nun ohne seinen Reiter, zog an Gonzaga vorbei und gewann das Rennen! Der Jubel der Sienesen war unbeschreiblich.
Eine kühle, erfrischende Windbö flog über die Piazza del Campo, wirbelte den Staub hinauf in den
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