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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Beatrice in ihre Räume gebracht. Ludovico wachte ängstlich an ihrem Bett. Das Kind wurde am nächsten Morgen tot geboren, die Herzogin rang noch zwei Tage und Nächte um ihr eigenes Leben und verlor den Kampf.
    Ludovico war untröstlich – trotz seiner Affären hatte er Beatrice sehr geliebt. Nach dem Tod der Herzogin veränderte sich das Leben im Castello. Ludovico, der zuvor an nichts geglaubt hatte, als seine eigene Macht und Herrlichkeit, wurde auf eine selbstzerstörerische Weise demütig. In Beatrices Tod sah er eine Strafe Gottes, die ihm für seine Überheblichkeit auferlegt wurde. Er schloss sich in seinen Räumen ein, erschien zu keiner Mahlzeit und hüllte sich in ein zerrissenes Gewand. Er war nur noch ein Schatten seiner selbst. Botschafter, die mit Beileidsbekundungen aus Ferrara, Mantua und Urbino gekommen waren, warteten vor seiner Tür, ohne von ihm empfangen zu werden. Anfang Februar sprach sein Medicus zum ersten Mal davon, dass Ludovico »an der Schwelle zum Wahnsinn stehe«, als er sich sein eigenes Grab neben dem von Beatrice unter Bramantes Kuppel in Santa Maria delle Grazie herrichten ließ.
    In jenen düsteren Tagen war ich eine der wenigen, die den dichten Schleier seines Leides durchdringen konnten. Sein Leben lag in meiner Hand, und er vertraute mir außer seinem Leben auch noch sein Seelenheil an, als ich ihm energisch ein Fläschchen Opium entriss, an dem er sich festhielt. Ich redete auf ihn ein, ins Leben zurückzukehren – schließlich habe er ein Herzogtum zu regieren. Ich redete auf ihn ein, weil ich fürchtete, er würde wie Piero immer tiefer in seinem Selbstmitleid versinken und sich am Ende selbst zerstören. Zumindest redete ich mir ein, dass ich es deshalb tat. Lange konnte ich mir selbst nicht eingestehen, dass ich es tat, weil er den gleichen Fehler machte wie ich, als ich Giovanni verloren hatte. Der Herzog war maßlos – im Glück, als er Maximilian seinen Condottiere und Papst Alexander seinen Seelsorger nannte, wie im Leid, als er wie Dante seine geliebte Beatrice zur Göttin erhob. Zuerst hörte er nicht zu, wenn meine Worte auf ihn einprasselten wie ein Gewitterregen, und starrte schweigend und in sich gekehrt Beatrices Bild an, aber eines Tages warf er mich nach einer meiner dantesken Strafpredigten wütend hinaus.
    Ich ging – mit einem Lächeln. Wenn er sich aufregte, hatte er sich noch nicht aufgegeben.

    Der Hof von Mailand, früher ein herrliches Paradies mit glänzenden Banketten und der aufwändigsten Hofhaltung von ganz Italien, ein Zentrum des Humanismus und des kultivierten Bel vivere, war zu einer düsteren Hölle geworden. Viele, die sich zuvor in Ludovicos Ruhm und Macht gesonnt und die von den Brotkrümeln von seiner großartigen Tafel gelebt hatten, verließen nun das Castello Sforzesco, das zum stillsten Ort in ganz Mailand geworden war. Ich blieb, trotz allem. Wohin hätte ich auch gehen sollen? Nach Florenz, wo mir die Hinrichtung drohte? Nach Rom, von wo ich vor fast vier Jahren geflohen war?
    Mailand war meine neue Heimat. Die Stadt gefiel mir ebenso gut wie meine Wohnung im Castello. Meine Freunde waren hier: Leonardo und Baldassare. Ich konnte in meinem Laboratorium in Ruhe arbeiten, besuchte inkognito Vorlesungen an der berühmten Universität von Pavia und lernte neue Freunde kennen: Luca Pacioli, den Mathematiker, der bei Leonardo aus und ein ging, Donato Bramante, den genialen Architekten des Herzogs, der für ihn die Kuppel von Santa Maria delle Grazie baute, und viele andere, die noch nicht aus Mailand geflohen waren, um woanders ihr Glück zu suchen.
    In jenen stillen Monaten widmete ich mich meinen Studien, um herauszufinden, was die Welt zusammenhielt. Tief war ich in das Labyrinth des Wissens vorgedrungen, viel zu tief, um wieder umzukehren, aber weit genug, um die verborgene Mitte finden zu können. Ich glaubte nicht nur, ich wusste: Gott hatte dieses herrliche Labyrinth errichtet und versteckte sich am Ende des Irrganges. Ich las viel in der Bibel, einem wahren Handbuch der Alchemie, und vollzog Moses’ Experiment der Verwandlung von Nilwasser in Blut und Jesu Wandlung von Wasser in Wein nach. »Alchemistische Spielereien«, urteilte Leonardo lachend, »aber sehr eindrucksvoll.« Nach meinen »Wundern« beschäftigte ich mich mit der Ars Magica des Gerbert d’Aurillac, der Magie als angewandter Naturwissenschaft, und diskutierte mit Leonardo nächtelang über Zufall und Notwendigkeit.
    Wie Leonardo begann ich, mich nicht nur

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