Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
de’ Medici wieder an die Macht bringen will. Das klingt absurd, scheint es aber nicht zu sein, denn Papst Alexander hat vor wenigen Wochen Maximilian von Habsburg zu einem Italienfeldzug eingeladen. Der offizielle Grund war, ihn in Rom zum Kaiser zu krönen, und Maximilian stimmte sofort zu.
Aber Alexander ist ein praktisch denkender Mensch: Mit dem Kaiser als seinem Condottiere würde er Florenz in die Knie zwingen und mit Gewalt ins Bündnis gegen Frankreich drängen. Welche Rolle Piero dabei spielen soll, weiß wohl niemand außer Seiner Heiligkeit, der im Augenblick alle Spielfiguren auf dem Spielbrett Italien in der Hand hat. Während Maximilian Livorno belagerte, bedrohte das Heer des Papstes von Siena aus Florenz. In der Stadt brach die Panik aus. Ich habe ein paar Sachen in eine Tasche geworfen und bin nach Rom aufgebrochen.
Michelangelo, der hier in Rom im Palazzo des Kardinals Riario wohnt, weigert sich, mit mir über Savonarola zu reden – er, der ihm früher nachgelaufen war! Und auch im Palazzo von Kardinal Giovanni ist Florenz kein Thema, es sei denn, Magnifico Piero erklärt uns beim Abendessen seinen neuesten Schlachtplan zur Rückeroberung der gesamten Toskana. Man könnte den Eindruck haben, sein künftiges Herrschaftsgebiet reiche vom Meer bis jenseits der Alpen, Venedig sei der künftige Seehafen von Florenz und Mailand seine Sommerresidenz. Piero ist so betrunken, dass er nicht mehr weiß, was er da redet. Seine Rückkehr nach Florenz bedeutet ihm so viel wie seine Anerkennung als Mensch.
Er leidet sehr unter der Missachtung durch die italienischen Fürsten, die ihn nicht unterstützen wollen. Wozu auch? Nur damit Piero noch unsinnigere Bündnisse eingeht als das mit Neapel oder jenes mit Frankreich und noch mehr Herrscher verärgert als nur Ludovico in Mailand oder Guido in Urbino?
Verbittert hat sich Piero in den Palazzo Medici in Rom zurückgezogen und geht dem Kardinal auf die Nerven. Die Familie Medici hat kein Geld mehr, keinen einzigen Fiorino. Der gesamte Haushalt des Kardinals ist verpfändet: das Tafelsilber, die orientalischen Teppiche, der Ring des Kardinals, selbst Giovannis Bett gehört nicht mehr ihm. Das nimmt er mit einem typisch mediceischen Lächeln hin – die Eskapaden seines Bruders kann er jedoch nicht akzeptieren, vor allem nicht die Beleidigungen, die Piero ihm an den Kopf wirft. Er nennt Kardinal Giovanni einen Verräter an den Medici.
Wenn Piero einmal nüchtern ist und sich vor dem Mittag aus seinem Bett bequemt, sucht er zum Glück seine Freunde heim und hält sie durch großartige Reden vom Essen ab. Wenn er am Nachmittag zurückkommt, zieht er sich in sein Zimmer zurück, um sich zu vergnügen. Nach dem Abendessen, wo er uns die neuesten Pläne zur Machtübernahme in Florenz erklärt, verschwindet er wieder zu seinen Freunden, die ihm am Spieltisch das letzte Hemd ausziehen.
Piero ist nicht nur als Regent gestürzt, er fällt auch als Mensch immer tiefer in einen finsteren Abgrund. Wie gut für ihn, dass du nicht in Rom bist. Du würdest ihm beibringen, was es heißt, ein Sohn des Magnifico zu sein. Der Kardinal ist zu krank, um Piero eine Strafpredigt zu halten: Seit Wochen liegt er mit Schmerzen im Bett und kann sich kaum noch bewegen. Wir fürchten um sein Leben.
Herzog Guido war vor einigen Tagen in Rom. Er hat nach dir gefragt – ob wir wüssten, wo du bist und ob du noch lebst. Als Kardinal Giovanni traurig den Kopf schüttelte, schien der Herzog sehr bestürzt. Ich habe geschwiegen, obwohl es mir schwer fiel.
Herzog Guido wird mit Juan Borgia, dem Herzog von Gandía und neuen Bannerträger der Kirche, der vor wenigen Wochen aus Spanien nach Rom zurückgekehrt ist, gegen Virginio und Gian Giordano Orsini ziehen, um sie wegen ihres Verrates zu bestrafen: Sie waren während der französischen Invasion zu Charles übergelaufen. Die beiden Herzöge haben die Stadt in einem Triumphzug verlassen, dass man glauben könnte, sie hätten schon den Sieg errungen. Ganz Rom war auf den Straßen, und selbst der Papst und die Kardinäle haben dieser grandiosen Inszenierung der Macht der Borgia zugesehen. Nur einer fehlte – Kardinal Cesare Borgia liegt krank zu Bett. Ein geheimnisvolles Leiden hat ihn niedergeworfen. Im Vatikan flüstert man sich zu, er habe die Syphilis. Er hat hohes Fieber und ist zu schwach, um das Bett zu verlassen.
Sobald der Sturm in Florenz sich gelegt hat, werde ich zurückreiten. Dort werde ich auf einen Brief von dir warten – ich
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