Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
du würdest auch ein bisschen Spaß haben.«
Er schüttelte den Kopf. »Wenn ich dich nicht seit Jahren kennen würde, Caterina, würde ich dich für ebenso skrupellos in der Wahl deiner Waffen halten wie Cesare. Bei unserem ersten Treffen in Mailand …«
»Das ist ein halbes Leben her.«
»Sieben Jahre.«
»Sieben Jahre, die mich verändert haben, Guido. Cesare sagte mir einmal vor Jahren in Pisa, dass der Mensch alles tun und werden kann, wenn er es nur will. Er muss der Göttin Fortuna nur seine Zweifel und Hemmungen opfern. Ich lege auch noch meine Hoffnungen und meine Gefühle auf diesen Blutopferaltar.«
»Ich muss zugeben, dass die Opferzeremonie eben sehr eindrucksvoll war«, gestand er leise.
War er verletzt durch mein Verhalten? Nein, das war es nicht. Er war schockiert gewesen, aber gleichzeitig fasziniert von meiner Willensstärke. Und er hatte es genossen, sich von mir verführen zu lassen. Es war meine letzte Bemerkung gewesen, dass ich meine Gefühle opferte, die ihn zusammenzucken ließ.
Was empfindet er für mich?, fragte ich mich verwirrt. Wie konnte meine trotzige Bemerkung ihn so treffen?
Verwirrt und betroffen, nein: beschämt über mein Verhalten ihm gegenüber stand ich vor ihm, als er sich seufzend erhob und seine Kleidung in Ordnung brachte. »Ich werde dich jetzt zu Cesare zurückbringen«, versprach er mir. War da ein leises Zittern in seiner Stimme? Er wich meinem Blick aus.
Ich wollte ihn trösten, ihn aufmuntern, seine Traurigkeit zerstreuen, aber was sollte ich sagen? Dass ich mich gefreut hatte, ihn nach sieben Jahren wiederzusehen? Dass ich seine Hände, seine Lippen, seinen Körper, seine Leidenschaft und seine Sinnlichkeit genossen hatte? Dass ich von meinen eigenen Gefühlen verwirrt war und keinen klaren Gedanken fassen konnte? Dass ich nicht freiwillig in den Vatikan zurückkehrte? Worte, nichts als Worte! Er musste mich doch nur ansehen, um das zu fühlen, zu wissen. Aber er wich mir aus.
»Du hast mir in Mailand das Leben gerettet«, sagte ich, um das Schweigen zwischen uns zu brechen. »Ich habe dir noch nicht einmal dafür gedankt.«
»Ich dachte, du hättest mir das Leben gerettet«, erwiderte er. »Zumindest nahm ich das an, bis wir in Florenz ankamen und du ohne Abschied nach Sevilla abgereist bist, als ob …« Er verstummte und wandte sich ab.
»Als ob was ?« Ich hielt ihn am Ärmel fest.
»Als ob nichts zwischen uns gewesen wäre. Kein endloses Gespräch während eines Schneesturms, das mich die Schmerzen und die Kälte vergessen ließ, keine Nächte mit dir in einem Bett.
Du hast mir in Mailand das Leben gerettet, Caterina. Ich dachte, ich könnte nicht mehr lieben. Meine vielen Affären, die alle nicht länger als nur ein paar leidenschaftliche Nächte gedauert haben, bis ich meine Geliebten wieder fortschickte – das war alles nur eine Flucht vor meiner unglücklichen Ehe mit Elisabetta. Eine Flucht vor mir selbst. Das alles hatte mit Liebe, mit Zärtlichkeit oder Hingabe nichts zu tun. Ich wollte das Leben in mir spüren, ich wollte die Qualen der Einsamkeit in der Ekstase der Lust ertränken wie in einem Becher berauschenden Weins. Ich habe mir eingeredet, verliebt zu sein, und doch wollte ich immer die Freiheit haben, jederzeit gehen zu können und nichts zu hinterlassen als die enttäuschten Tränen einer jungen Frau, die sich eine Nacht lang für mehr als nur eine flüchtige Affäre des Herzogs hielt.
Du hast mich auferweckt von den Toten, Caterina, hast mich zur Besinnung gebracht, hast mir gezeigt, was mir fehlte und was ich mir all die Jahre so sehnlich gewünscht hatte. Du hast mir deine tiefsten Gefühle gezeigt und mit beiden Händen in meinen gewühlt, bis ich nicht mehr wusste, wie mir geschah, nur um mich am nächsten Morgen in Florenz zu verlassen, um nach Sevilla zu gehen. Dass du Piero nicht die Wahrheit gesagt hast, warum du Florenz verlassen wolltest, konnte ich ja noch verstehen. Aber dass du mich derart sitzen gelassen hast, nach all dem, was zwischen uns in Mailand geschehen war, das hat mich tief verletzt.«
Ich starrte ihn an, unfähig etwas zu sagen.
»Ich hatte geglaubt, wir könnten …« Er brach ab und überlegte, ob es sich lohnte, mit mir über seine Gefühle zu sprechen. Oder ob die Wunden nur wieder zu schmerzen begannen. Dann fuhr er entschlossen fort: »Aber dann tauchte plötzlich Lionetto de’ Rossi im Palazzo auf, und du hattest nichts Eiligeres zu tun, als mit ihm zu verschwinden. Sechs Monate später hat
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