Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
umarmte das Kissen, während er fest schlief. Es sah aus, als ob … als ob er mich umarmte. Ich glaube, er hatte geweint …« Ich atmete tief durch und versuchte einen neuen Sturzbach von Tränen zurückzuhalten. »Im Schlafzimmer verstreut lagen zerknüllte, zerrissene Zettel, die wohl seine Diener vom Pasquino abgerissen hatten, während sie nachts in der Stadt nach mir suchten.« Giuliano della Roveres Gäste hatten nach dem Bankett keine Zeit verloren, meinen Feldzug gegen Cesare zu kommentieren, meine Strategie und meine Taktik in allen sinnlichen Details zu erläutern.
»Er wusste es!«, flüsterte Lucrezia.
»Ja, er wusste, was ich getan hatte. Er erwachte, als ich das Schlafzimmer betrat.«
»Was hat er gesagt?«, fragte Lucrezia gespannt.
»Nichts. Kein Wort. Er hat mich nur schweigend angesehen, als ich ihm sagte, dass ich gekommen sei, um mich von ihm zu verabschieden. Ich habe ihm ins Gesicht gesagt, dass ich ihn verlasse. Dann habe ich mich umgedreht und wollte gehen.«
»Du hast ihn gedemütigt«, flüsterte Lucrezia.
Ich nickte, dann besann ich mich und schüttelte den Kopf. »Er hat dasselbe mit mir getan, Lucrezia. Er rief mir nach: ›Warum?‹ Ich blieb stehen und drehte mich zu ihm um: ›Ich ertrage dich nicht mehr.‹ Er sagte: ›Ich liebe dich, Caterina! Was immer du getan hast, ich verzeihe dir. Komm zurück zu mir!‹ ›Du vergibst mir?‹, habe ich ungläubig gefragt, und er antwortete: ›Wenn eine Affäre mit Herzog Guido das ist, was du willst, dann werde ich nichts dazu sagen. Genieße dein Vergnügen und amüsiere dich mit ihm. Und wenn du anfängst, dich mit ihm zu langweilen, dann komm zu mir zurück!‹«
» Das hat mein Bruder gesagt? ›Amüsiere dich mit Herzog Guido‹?«, fragte Lucrezia verwirrt.
»Das hat er gesagt. Ich habe ihn wütend angeschrien: ›Du vergibst mir eine Affäre mit Guido? Wer bin ich denn, dass ich um deine Erlaubnis frage, wenn ich mit irgendjemandem ins Bett gehen will? Ich gehöre dir nicht!‹«
Ich gehöre ja nicht einmal mir selbst!, dachte ich und begann wieder zu weinen. Ich tat Dinge, die ich nicht getan hätte, wenn ich bei Verstand wäre. Ich benutzte einen anderen Menschen, um meine Rache zu befriedigen, verletzte seine zartesten Gefühle, vergewaltigte seine Selbstachtung, und als ich selbst so verwirrt war, dass ich nicht mehr weiter wusste, dann schickte ich ihn fort nach Urbino, damit er mich vergaß. Welch ein Irrsinn!
Ich war unfähig weiterzusprechen. Lucrezia umarmte mich und ließ mich weinen und meine Erinnerungen in Tränen ertränken.
»Bitte verlass mich nicht!«, hatte Cesare gefleht. »Ich liebe dich!«
»Du liebst nicht mich«, hatte ich ihn angeschrien. »Du liebst nur dich selbst – in mir! Du spiegelst dich in mir, weil du sicher bist, dass ich dir immer die Wahrheit über dich sagen werde.«
»Du hast Recht: Ich besitze mich selbst, wenn ich dich besitze. Ich bin ganz bei mir selbst, wenn ich bei dir bin. Ja, Caterina, wir sind uns ähnlich. Wir können nicht ohne einander leben, da wir unser Spiegelbild im anderen lieben. Wir gehören zusammen. Das ist es, was uns mit Gewalt auseinander reißt und doch immer wieder zusammenbringt.«
Ich hatte verächtlich gelacht: » Ich kann ohne dich leben.«
»Nein, das kannst du nicht«, hatte Cesare entgegnet. »Denn du siehst dich selbst, wenn du mich ansiehst. Du erkennst, was du alles hinter dir gelassen hast, welche Grenzen du längst überschritten hast, ohne es zu merken, und du erschrickst vor deiner eigenen Intensität. Du erträgst dich selbst nicht mehr! Aber vor dir selbst kannst du nicht weglaufen. Und vor mir auch nicht.«
Wie lange ich geweint habe, weiß ich nicht mehr. Irgendwann waren meine Tränen versiegt, meine Gefühle ausgebrannt.
Nein, vor mir selbst konnte ich nicht weglaufen.
Tränen sind die Waffen einer Frau, die sich nicht demütigen, die sich nicht beherrschen lässt. Ich hatte Tränen immer für ein Zeichen der Schwäche gehalten, für Selbstmitleid. Lucrezia bewies mir, dass Tränen Stärke waren, Trotz und Selbstachtung.
Eigensinnig und aufsässig, so nannte Rodrigo seine Tochter. Er verstand ihre Trauer um Alfonso nicht. Es waren Lucrezias trotzige Tränen, die verhinderten, dass sie in einen tiefen Abgrund fiel.
Mit einem triumphierenden Lächeln erklärte sie mir wenige Tage nach meiner Trennung von Cesare, ihr Vater habe die Geduld verloren und sie aus Rom verbannt. Sie fiel mir um den Hals und wirbelte mich herum.
»Ich bin
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