Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
versprach er mir. »Jede Nacht, bevor ich einschlafe, werde ich dich vergessen!«
Am nächsten Morgen fiel mir Lucrezia erleichtert um den Hals, als ein Diener mich in ihr Schlafzimmer führte. Ihr Bett sah zerwühlt aus, als hätte sie während der Nacht kein Auge zugetan. Sie war noch nicht angezogen.
»Caterina, da bist du ja!«, seufzte sie. »Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht. Cesare war gestern Abend hier. Er hat dich gesucht und war ganz verzweifelt, als er dich nicht fand …«
»Ich habe ihn verlassen«, sagte ich.
Sie starrte mich an, als hätte sie meine Worte nicht verstanden. »Verlassen?«, flüsterte sie atemlos. »Für immer?«
Ich wandte mich ab, damit sie meine Tränen nicht sah. In ihrer Trauer um ihren ermordeten Gemahl wollte ich sie nicht noch durch meine aufgewühlten Gefühle belasten. Nicht, solange ich selbst nicht wusste, was mir das Herz zerriss. Verwirrung, Verlorenheit, Selbstzweifel?
Lucrezia umarmte mich. »Ich freue mich für dich!«
Ihre Nähe, ihre Zuneigung taten mir gut, und ich nahm sie dankbar an, obwohl ich sie nicht verdient hatte. Nein, ich war ihrer Liebe nicht würdig. Ich würde ihr nur wehtun, wie ich Guido wehgetan hatte. Und Giovanni. Und Cesare. Wie ich jedem Menschen wehtat, der mir seine Hand reichte: Leonardo, Baldassare, Niccolò. Cesare hatte Recht, wir waren uns zu ähnlich …
Tränen der Verzweiflung liefen wieder über meine Wangen.
»Caterina! Was ist denn los?«, flüsterte Lucrezia betroffen. »Habt ihr gestritten?«
»Nein«, schluchzte ich.
»Hat Cesare dich geschlagen oder …?«
»Nein.«
»Um Himmels willen, was ist denn geschehen?«
»Er hat mir vergeben«, schluchzte ich. »Er hat mich mit seiner Vergebung gedemütigt!« Ich ließ mich auf das Bett sinken, fiel in die Kissen und barg mein Gesicht in meinen Händen. Ich hätte schreien können!
Lucrezia legte sich neben mich und umarmte mich. Wie den kleinen Rodrigo wiegte sie mich, um mich zu beruhigen. »Weine, Caterina! Halte deine Tränen nicht zurück! Lass dich fallen, ich werde dich auffangen.« Sie küsste mich auf die Wange, während sie mich hielt.
»Lass mich, Lucrezia. Ich werde dir nur wehtun!« Ich wollte mich aus ihrer Umarmung lösen und aufsetzen, aber sie drückte mich nur umso fester an sich.
»Lass mich bitte selbst entscheiden, was ich ertragen kann und was nicht«, bat sie mich freundlich, aber bestimmt. »Alfonsos Tod ist entsetzlich. Ich weiß nicht, wie ich ohne ihn und seine Liebe weiterleben soll. Das Einzige, was mich aufrecht hält, ist der Hass auf Cesare und die Gewissheit, dass du Alfonso geliebt hast und Cesare für diesen Mord verfluchst. Ich weiß, dass ich nicht allein bin in meinem Schmerz. Ich war so glücklich, als du mir eben gesagt hast, du hättest ihn verlassen. Aber dich so todunglücklich zu sehen, das ertrage ich nicht auch noch. Bitte sag mir, was geschehen ist.«
Ich presste mein Gesicht in die Kissen, weinte still vor mich hin. Lucrezia strich mir sanft über das Haar und wartete geduldig ab, bis ich den furchtbaren Druck nicht mehr aushielt und die Worte aus mir heraussprudelten. Ich erzählte ihr von der Nacht mit Guido. Ich ließ nichts aus, weder das, was ich Guido angetan hatte, noch was ich jetzt, nach unserem Gespräch bis zum Morgengrauen im Garten des Palazzo della Rovere, für ihn empfand. Wenn Lucrezia schockiert war, dann verbarg sie ihre Gefühle gewissenhaft vor mir.
»Danke, dass du mir die Wahrheit gesagt hast, Caterina«, murmelte sie. »Ich kann verstehen, warum du es getan hast.«
Ich wandte ihr das Gesicht zu. »Du kannst es verstehen ?«, fragte ich erstaunt über ihr Geständnis. »Ich habe deinen Bruder gedemütigt.«
»Ich bewundere dich, dass du den Mut hast, dich mit Cesare anzulegen. Ich wünschte, ich wäre in meinem Zorn ebenso unerschrocken wie du.«
O Lucrezia, ich habe furchtbare Angst, auch wenn du es mir nicht anmerkst!, dachte ich und brach erneut in Tränen aus.
Sie strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Was ist mit dir?«, hauchte sie.
Für einen Augenblick schloss ich die Augen, um mich zu besinnen. »Nach unserem Gespräch im Garten hat mich Guido im Morgengrauen zum Vatikan gebracht. Dann ist er mit seiner Eskorte nach Urbino aufgebrochen, und ich bin in meine Wohnung zurückgekehrt. Ich fand Cesare in meinem Bett.«
»O mein Gott!«, seufzte Lucrezia voller Mitgefühl.
»Offenbar hatte er die ganze Nacht auf mich gewartet. Er lag nackt in die Laken gewickelt und
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