Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
Unterredung mit dem Herzog beendet wäre und ich nach Urbino zurückkehren würde. Entschlossen fasste ich den Türgriff und schloss das Kirchenportal mit einem vernehmlichen Geräusch, das wie Donnerhall durch die stille Kirche wehte.
Guido fuhr herum. »Caterina!«, rief er, als er mich im düsteren Lichtschein erkannte. Dann scheuchte er den Maestro mit einer ungeduldigen Geste aus der Kirche: »Lass uns allein, Raffaello!«
Als er gegangen war, fragte ich: »Ein netter junger Mann, Guido. Sehr gebildet, sehr interessiert, sehr galant, ein schönes Gesicht, sinnliche Lippen, formvollendete Manieren. Ein Mann zum Verlieben. Ich bin beeindruckt. Ist er der tapferste Krieger, den du gegen mich in die Schlacht schicken kannst, um vor mir in ein Kloster zu entfliehen?«
»Ich fliehe nicht vor dir.«
»Du kommst mir aber auch nicht einen einzigen Schritt entgegen.«
»Ich weiß wirklich nicht, was du erwartet hast, Caterina. Und ehrlich gesagt bin ich es leid, irgendwelche Erwartungen zu erfüllen.«
»Ich habe keine Erwartungen, Guido. Jetzt nicht mehr.«
Die Kerze auf dem Altar flackerte unruhig, während er mich anstarrte. Sein Gesicht lag im Schatten. »Giuliano hat mir geschrieben, wie es dir geht. Er deutete mit sehr bewegenden Worten an, dass der Medicus Seiner Heiligkeit glaubt, du hättest nur noch ein Jahr zu leben.«
»Sechs Monate«, korrigierte ich ihn. »Vielleicht weniger.«
»O Gott!« Er wandte sich ab, und im Lichtschein der Kerze sah ich einen Augenblick sein Gesicht. Mein Schicksal, das ihm selbst in einigen Jahren bevorstand, erschreckte ihn, und meine Gelassenheit erstaunte ihn.
»Ich reise nach Ferrara, um an der Universität Schüler zu suchen, denen ich mein Wissen weitergeben kann.«
»Ich dachte …«, begann er und drehte sich zu mir um.
»Was dachtest du?«
»… dass du zu ihm in die Romagna reist. Giuliano hat mir geschrieben, dass du dich mit ihm versöhnt hast.« War das Resignation in seiner Stimme? Hätte ich doch nur sein Gesicht sehen können!
»Ja, wir haben uns die Hand gereicht«, erwiderte ich mit fester Stimme.
»Du hast ihm einen Mord vergeben«, warf mir Guido vor.
»Was hätte ich denn sonst tun sollen? Cesare Borgia umbringen? Hätte mich das zu einem besseren Menschen gemacht, als der, der ich bin, der ich schon immer war? Sollte ich einen Mord mit einem Mord sühnen? Hätte ich mein Leben lang gegen ihn kämpfen sollen? Ja, ich habe mich mit Cesare versöhnt.«
»Giuliano hat mir geschrieben, dass ihr euch beim Abschied in Rom in aller Öffentlichkeit geküsst habt. So wie früher. Seine Heiligkeit und das gesamte Kardinalskollegium haben von der Benediktionsloggia aus zugesehen.«
»Du bist erstaunlich gut informiert.«
»Das ist für mich als Herzog von Urbino lebenswichtig.«
Ich trat ganz nah vor ihn und sah ihm in die Augen. »Guido, ich liebe ihn nicht mehr. Dich liebe ich – bis der Tod uns trennt.«
Meinem Kuss wich er aus. »Das ist so erschreckend kurz, Caterina!«, seufzte er und wandte sich ab. »Sechs Monate: zu kurz zum Leben, zu lang zum Sterben.«
Ein eisiger Windhauch fuhr durch die leere Kirche, ließ die Kerze auf dem Altar panisch flackern.
»Aber lang genug für ein paar Wochen Liebe. Wie sehne ich mich nach langen Gesprächen mit dir am Kaminfeuer, nach Nächten voller Sinnlichkeit in deinem Bett. Ich habe dich so sehr vermisst, Guido, deine Wärme, deine Nähe, deine Liebe, deine leidenschaftlichen Küsse, deine zärtlichen Hände. Ich habe drei Tage lang geweint, als du mich in Nepi verlassen hast. Und die letzten vierzehn Monate, neunundzwanzig Tage und zwei Stunden habe ich versucht, dich zu vergessen.«
Die Kerze erlosch mit einem letzten Flackern im Wind. Der Mond verbarg sich hinter einer Schneewolke, und nachtschwarze Finsternis hüllte uns ein. Als Guido schwieg, sprach ich weiter:
»Du hast mir bei deinem überstürzten Aufbruch gesagt, dass wir uns wehtun würden, immer wieder, und dass wir bereits in der ersten Nacht unserer Beziehung damit angefangen hatten. Du hattest Recht, Guido. Ich habe versucht, dich zu vergessen, bin wieder in den Vatikan gezogen und habe Cesare vergeben. Er besucht mich oft mit seinem kleinen Sohn, wir scherzen und lachen, als wäre nichts zwischen uns geschehen. Ich habe wirklich versucht, dich zu vergessen, Guido, aber ich kann es nicht. Ich liebe dich!«
Er antwortete nicht, ordnete in der eisigen Finsternis der Kirche seine eigenen verwirrten Gefühle. Mein »Ti amo!« schwebte
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