Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
haltlos zwischen uns und wehte mit unserem Atemhauch fort ins Nichts.
Warum schwieg er? Hätte ich doch nur sein Gesicht sehen können! Aber der Mond verweigerte sich uns mit einer Beharrlichkeit, die ich nur als schicksalhaft bezeichnen kann. Ein leiser Schimmer des Mondscheins hätte ausgereicht, um seine Tränen zu sehen …
Enttäuscht ließ ich ihn in der Finsternis zurück und stolperte zum Portal, wo der Diener im Kreuzgang auf mich wartete. Als ich die Kirchentür öffnete, glaubte ich hinter mir ein Schluchzen zu hören, aber ich blieb nicht stehen. Ich hatte keine Kraft mehr, mich an seiner Unnachgiebigkeit erneut zu verletzen. Also ließ ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen und winkte dem Diener, dass ich in den Palazzo zurückkehren wollte.
Nicolaus Copernicus ist ein mathematisches Genie, dachte ich, aber an seinen astrologischen Berechnungen muss er noch arbeiten. Die Liebe meines Lebens? Nein! Die Coniunctio der Venus mit sich selbst ist ein erbarmungsloser Absturz in die Tiefe des Schmerzes, sonst nichts.
Am nächsten Morgen brach der Hochzeitszug in Richtung Norden auf. Elisabetta reiste mit Lucrezia in der Sänfte, Guido begleitete uns mit einer Eskorte Bewaffneter bis Pesaro.
Er wich mir aus und achtete darauf, dass wir niemals allein waren. Meine Blicke erwiderte er nicht. Er war blass, ungeduldig und brüllte seine Befehle wie ein Condottiere, der in die Schlacht zieht. Er litt, ich sah es ihm an, und es lag wohl nicht daran, dass er die Nacht auf dem harten Lager einer Klosterzelle verbracht hatte oder dass ihm die Winterkälte und der lange Ritt dieselben Schmerzen bereiteten wie mir.
Vor den Toren von Pesaro verabschiedete er sich höflich von Lucrezia und erklärte ihr, dass sie während ihrer Weiterreise über die Via Emilia an Rimini, Forli, Imola und Bologna vorbei nach Ferrara das Gebiet ihres Bruders, des Herzogs der Romagna, betrat. Er wünschte ihr eine sichere Reise, küsste ihre Hand und stieg wieder in den Sattel, ohne mich eines einzigen Blickes zu würdigen. Dann galoppierte er mit seinen Begleitern davon. Ich sah ihm nach, bis er im dichten Schneetreiben verschwunden war.
»Und? Wie gefällt er dir?«, fragte ich neugierig, als Lucrezia sich in mein Zimmer schlich und lautlos die Tür hinter sich schloss.
Sie kroch zu mir ins Bett und schmiegte sich an mich. »Er ist unglaublich attraktiv. Er hat gute Manieren. Ich hoffe, die legt er nicht mit Hemd und Hosen ab, wenn er in der Hochzeitsnacht zu mir ins Bett kommt.«
Leise lachend drehte ich mich auf die Seite, um sie zu umarmen. Ich war froh, dass Lucrezia und Alfonso d’Este sich so gut verstanden. Der Sohn des Herzogs Ercole war an diesem Abend, zwölf Tage nach unserer Abreise aus Urbino, ohne Ankündigung und ohne großes Gefolge von Ferrara nach Bologna geritten, um seine Gemahlin kennen zu lernen.
Sein ungestümes Auftreten hatte Lucrezia fast in Panik versetzt. Sie war müde von der Reise, blass, ungeschminkt, ihr Haar war vom Sturm zerzaust, und sie hatte nur ein seidenes Unterkleid getragen, weil sie nach einem heißen Bad früh ins Bett gehen wollte, um am nächsten Morgen ausgeruht zu den Hochzeitsfeierlichkeiten in Ferrara anzukommen. Sie wollte ihren Gemahl vom ersten Augenblick an beeindrucken, nachdem Alfonso sich monatelang einer Heirat mit ihr widersetzt hatte. So war sie sichtlich erregt über sein unangemeldetes Erscheinen in Bologna und zappelte herum, als eine Dienerin versuchte, ihr Haar in Ordnung zu bringen und ihren Wangen ein bisschen Farbe zu verleihen. Dann war sie ihrem Bräutigam entgegengeflattert wie eine aufgescheuchte Taube.
Doch offensichtlich hatte ihr das zweistündige Gespräch mit ihm einige Ängste genommen.
Ich küsste sie herzlich. »Ich wünsche dir alles Glück der Welt!«
»Nein, nicht alles Glück, Caterina. Die Hälfte schenke ich dir«, rief sie übermütig. »Ich würde dich gern mal wieder lachen sehen. Seit Urbino bist du … so still, so nachdenklich. Du sprichst kaum ein Wort mit mir. Was ist geschehen?«
»Nichts, gar nichts.«
Sie drehte sich auf den Bauch, verschränkte die Hände unter dem Kinn und sah mich über das Kopfkissen hinweg an. »Genau das scheint mir das Problem zu sein: dieses scheinbar so unüberwindliche ›Nichts‹.«
Ich antwortete nicht.
»Du warst in jener Nacht in Urbino bei ihm im Kloster, nicht wahr?«, bohrte sie nach.
Ich nickte mit Tränen in den Augen. »Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn liebe. Ich glaube, er hat
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