Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
Nacht schlief ich wenigstens ein paar Stunden, obwohl Lucrezia sich unruhig hin und her wälzte.
Ein paar Meilen hinter Foligno betraten wir das Herzogtum Urbino. Die Herzogin Elisabetta erwartete uns mit ihrem Gefolge in Gubbio. Nach endlosen Begrüßungsreden stieg Elisabetta zu Lucrezia in die Sänfte, um sie nach Urbino zu geleiten, und ich quälte mich in den Sattel meines Pferdes.
Bis zu unserer Ankunft in Urbino zwei Tage später hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Über Guido. Und über Elisabettas Auftreten mir gegenüber. Wusste sie, was in Nepi zwischen ihrem Gemahl und mir geschehen war? Lucrezia hatte mich der Herzogin beim gemeinsamen Abendessen in Gubbio vorgestellt, und Elisabetta war mir gegenüber freundlich, ja geradezu herzlich gewesen. Wir unterhielten uns stundenlang, verstanden uns gut, lachten und scherzten, aber am Ende des Abends wusste ich immer noch nicht, was sie im Stillen über mich dachte.
Guido ahnte nicht, dass ich nach Urbino kommen würde. Wie würde er auf meine Anwesenheit reagieren? Dieses Mal trafen wir uns nicht heimlich wie in der Burg von Nepi, sondern vor den neugierigen Augen von mehreren Hundert urbinischen, ferraresischen und römischen Gefolgsleuten, die ihre Herren mit pikanten Details einer spektakulären Affäre unterhielten, garniert mit Halbwahrheiten und Lügen.
Guido war so wütend gewesen, als er mich in Nepi verlassen hatte: Er hatte gesagt, dass er mich vergessen wollte. Seitdem hatte er mir nicht geschrieben, obwohl er mit Giuliano della Rovere in regem Briefwechsel stand. Ich war verunsichert. Ängstlich? Ja, ich gestehe: Ich hatte Herzklopfen vor diesem Wiedersehen.
Wir erreichten das tief verschneite Urbino am 18. Januar 1502.
Die Stadt war nicht groß, aber stark befestigt. Wie ein Schwalbennest hing sie über dem Abgrund. Seit meinen Gesprächen mit Lorenzos Architekt Giuliano da Sangallo in Florenz und Leonardo und Donato Bramante in Mailand verstand ich genug vom Festungsbau, um zu erkennen, dass dieses trotzige Urbino im Sturm nicht einzunehmen war.
Die beiden eleganten Türme des Palazzo Ducale ragten hoch über die Dächer der Stadt und die sie umgebenden Hügel auf. Die gewaltigen Wehranlagen unterhalb des Palazzo und das Stadttor hätten selbst Leonardos Belagerungsmaschinen standgehalten. Alles war genau so, wie Guido es mir beschrieben hatte.
Ich folgte Lucrezias Sänfte, als der Hochzeitszug das Stadttor durchquerte, die steile Straße hinaufzog, sich an der Piazza nach rechts wandte und der Via Ducale folgte. Die Straßen von Urbino waren mit Girlanden in Form der Wappen der Borgia und der d’Este, mit lorbeerbedeckten Bögen und Statuen aus Pappmaché geschmückt. Zu beiden Seiten der Gassen standen freundlich winkende Menschen, die Lucrezia als künftige Herzogin von Ferrara begrüßten.
Dann kam der Dom von Urbino in Sicht und dahinter der herrliche Palazzo Ducale. Wie oft hatte Donato Bramante mir von diesem Wunderwerk der Architektur vorgeschwärmt!
Guidos Vater, der Herzog Federico da Montefeltro, hatte vier Jahrzehnte lang in Urbino regiert. Seiner humanistischen Bildung und seiner Begeisterung für Kunst und Architektur verdankte Urbino seinen Ruhm als glanzvollster und kultiviertester Fürstenhof Italiens. Jeder Stein des Palazzo Ducale atmete Gelehrsamkeit und Toleranz.
Und ich hatte Mailand für den Mittelpunkt der kultivierten Welt gehalten! Urbino war stiller, nachdenklicher, bescheidener, von geradezu eleganter Schlichtheit. Und doch lebensfroher. Mit einem Wort: Urbino gefiel mir. Ich verliebte mich vom ersten Augenblick an in dieses kostbare Juwel einer Stadt.
Auf der verschneiten Piazza vor dem Palazzo Ducale kam der endlose Hochzeitszug zum Stehen. Herzog Guido, in einen schwarzen Samtmantel mit Goldstickerei und Hermelin gehüllt und umringt von seinem Gefolge, trat ein paar Schritte vor und half Lucrezia und Elisabetta aus der Sänfte. Er begrüßte die künftige Herzogin von Ferrara mit einem galanten Handkuss, dann wandte er sich seiner Gemahlin Elisabetta zu, die er auf die Wange küsste, während er ihr ein paar Worte zuflüsterte. Sie nickte lächelnd und legte ihm vertraulich die Hand auf den Arm.
Ich saß wie festgefroren im Sattel und wartete, bis einer der Reitknechte des Herzogs mir vom Pferd half. Ich starrte Guido an – neidisch, wie ich gestehen muss. Wenn das eine unglückliche Ehe war, dann waren meine Erwartungen wohl all die Jahre zu hoch gewesen! Guido und Elisabetta liebten sich nicht, aber
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