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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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wenigen Monaten das Elixirium vitae tingieren. Er hat meine Notizbücher – verfügt über all mein Wissen. Nein, ich muss in Rom bleiben, um das zu verhindern!

    Der Vatikanische Hügel war mein Läuterungsberg. Er war nicht so hoch wie der Berg, den ich sieben Jahre zuvor mit Leonardo bestiegen hatte, aber die Luft war dünner und raubte mir den Atem. Meine Bewegungen waren vorsichtiger, denn jede Entscheidung, was ich tun sollte, war lebensgefährlich. Ich konnte jederzeit stürzen! Was hätte ich darum gegeben, noch einmal auf dem Gipfel zu stehen und wählen zu können, auf welcher Seite ich absteigen wollte: über den vereisten Gletscher in Richtung Paris, um dort in Ruhe als Alchemistin zu arbeiten, oder über den steilen Felsgrat in Richtung Rom. Mein Sturz mit Leonardos Fallschirm und mein Aufprall auf dem Schneefeld war nichts gegen das, was ich in jenen Wochen in Rom erlebte. Lucifers Absturz aus dem Himmel – so nannte Giulio meine nächtlichen Aktivitäten im Pantheon.
    Gianni und Giulio machten sich Sorgen um mich. Ich glaube, sie hielten mich für verrückt: Ich hatte auf der Flucht vor Cesare mein Kind verloren. Ich hatte Guido verlassen, die Liebe meines Lebens. Offensichtlich stand ich auf der Seite der Borgia. Ich verbrachte die Tage damit, unverständliche Bücher zu lesen, verbotene magische Rituale und Satansmessen durchzuführen. Und in den Nächten arbeitete ich mit Rodrigo im Laboratorium am Opus Diaboli, um geheimnisvolle, gefährliche Elixiere zu tingieren.
    Ja, ich stand am Abgrund. Aber nicht weil die Beschuldigungen gegen mich, die Nacht für Nacht am Pasquino angeklebt wurden, wahr gewesen wären. Oder weil die Inquisition mich verfolgt hätte, denn das wagten die Fratres nicht. Sondern weil Gianni und Giulio mir nicht glaubten. Sie verstanden nicht, warum ich mit meinem Laboratorium nicht in den Palazzo Medici umzog. Sie verstanden nicht, warum ich bei Rodrigo im Vatikan blieb, trotz aller Gerüchte, die in Rom über uns kursierten, über leidenschaftliche Nächte in seinem Bett und einen Pakt mit Satan.
    Die Zettel am Pasquino waren voller Hass … und voller Angst. Die Farbe meiner Augen, meines Haares, mein schmerzhaftes Hinken, mein Ruf als Ludovicos Giftmischerin, meine schwarzen Masken, die Kleidung, die ich trug – all das wurde gegen mich verwendet.
    Als ich zum ersten Mal »Satans Tochter« genannt wurde, brach ich zusammen. Der Einzige, der mich auffing, als ich stürzte, der Einzige, der mich tröstete, war Rodrigo, der selbst als Antichrist beschimpft wurde. Er saß stundenlang neben mir und hielt meine Hand, als ein schwerer Anfall mich ans Bett fesselte.
    Der schmerzhafteste Schlag war jedoch die Erkenntnis, dass meine Familie – Piero, Gianni und Giulio – sich von mir abwandte, mich verachtete, mich, den gefallenen Engel, verleugnete und mir aus dem Weg ging, als hätte ich die Pest nach Rom gebracht. Dass ich immer noch lebte – »Lorenzo wäre doch schon längst qualvoll gestorben«, hatte Gianni mich angebrüllt –, konnte nicht mit rechten Dingen zugehen. Niemand schien sich über meinen Willen zu überleben und meine Fähigkeit, Schmerzen zu ertragen, zu freuen – am allerwenigsten Gianni.

    Guido schrieb mir zwei lange Briefe aus Urbino und bat mich, flehte mich an, zu ihm zurückzukehren. Ich antwortete nicht. Ich fand keine Formulierungen, in die ich meine Gefühle verpacken konnte, fand keine Worte, die ihn nicht verletzt hätten. Was hätte ich ihm schreiben sollen? »Ich bin einsam, und ich werde verrückt vor Sehnsucht, wenn ich an dich denke« oder »Ich komme zu dir, wenn ich mein Werk vollendet habe« oder »Geliebter, wir werden uns nie mehr wiedersehen, denn es sind nur noch wenige Phiolen Leben übrig. Vergiss mich!«
    Von Niccolò, der sich als florentinischer Botschafter bei Cesare in Imola aufhielt, erfuhr ich, dass das Bündnis der Condottieri gegen Cesare zerbrach. Einer nach dem anderen erschien in Imola, um mit Cesare Frieden zu schließen. Aber die Verträge, die zwischen dem Herzog der Romagna und seinen abtrünnigen Feldherren geschlossen wurden, waren das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben waren. Den Verrätern blieb nichts anderes übrig, als Cesare um Gnade zu bitten. Sie hatten gegen ihn rebelliert, um sich selbst und ihre Herrschaften vor der Vernichtung zu bewahren. Nun schlossen sie aus demselben Grund Frieden mit ihm. Cesare zeigte sich großmütig, vergab ihnen – hinter seiner schwarzen Maske lächelnd – den

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