Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
Hoffte er, dass Guidos Worte mich aus meinem Wahn, mit Satan einen Pakt schließen zu wollen, herausreißen konnte?
Ich nahm den Brief und starrte auf die Zeilen, ohne sie wirklich zu lesen. Ich war wie besinnungslos. Mit allem hatte ich gerechnet: dass Lucrezia mir einen Brief schickte, nachdem sie vor einigen Wochen ihr Kind verloren hatte, dass Cesare nach Rom zurückkehrte … aber nicht, dass Guido mir schrieb. Ich hatte vor Monaten seinen Ring abgelegt, hatte ihn zwischen die Seiten von Giovannis Notizbuch gelegt, hatte ernsthaft versucht, ihn zu vergessen. Und unser Kind. So viel Freude, so viel Glück! Und nun dieser Brief! Er wollte, dass ich zu ihm zurückkam. Nach Urbino, wo ich so glücklich gewesen war. O Guido, es ist unmöglich! Ich kann Rom nicht verlassen! Ich war den Tränen nah. Nein, ich wollte diesen Brief nicht lesen. Er würde alles nur noch schwerer für mich machen!
Gianni, der mein Zögern missverstand, bückte sich nach einer brennenden Kerze, damit ich besser sehen konnte. Mit zitternden Händen hielt ich das Pergament ins Licht. Die Worte verschwammen vor meinen Augen, doch schließlich begann ich zu lesen:
Anfang Oktober hatte Guido Venedig verlassen, um sich in der Festung von Gian Battista Orsini in der Nähe von Perugia mit einigen von Cesares Feldherren zu treffen, die sich gegen ihn verschworen hatten: meine Cousins Kardinal Gian Battista Orsini, Erzbischof Rinaldo Orsini, Francesco Orsini, der Herzog von Gravina, Paolo Orsini, der Conte von Palombara, der Condottiere Giulio Orsini, sowie Cesares Offiziere Vitellozzo Vitelli, Gian Paolo Baglioni und Oliverotto da Fermo. Andere Signori, die von den Borgia entmachtet worden waren, hatten Vertreter entsandt: Giovanni Bentivoglio von Bologna und Pandolfo Petrucci von Siena. Seit Guidos Vertreibung aus Urbino und der Eroberung von Camerino fragten sich die Signori, wann sie vom ewig hungrigen Drachen Cesare verschlungen werden würden. Besonders beunruhigt waren die Orsini, die mit Frankreich verbündet waren und deshalb nicht gegen Cesare als Herzog von Valence kämpfen konnten, ohne sich mit Louis anzulegen. Diese geheime Versammlung war gefährlich für Cesare, denn gemeinsam geboten die Verschwörer über Streitkräfte, die den seinen weit überlegen waren. Ein Sturz der Borgia stand unmittelbar bevor!
Mit zitternden Händen ließ ich den Brief sinken. Wenn die Verschwörer sich gegen Cesare wandten, der sich in der Romagna aufhielt, war Rom schutzlos. Ein Sturz Rodrigo Borgias wäre unvermeidlich. Guido hatte Recht: Es wäre wirklich eine gute Entscheidung, möglichst bald aus Rom zu verschwinden, bevor das Inferno losbrach. Unruhig fuhr ich mir mit der Hand über die Stirn: … aber ich konnte doch nicht! Dann las ich weiter:
Am 6. Oktober hatte Guido die Festung von San Leo im Sturm genommen und Cesares Condottiere Micheletto aus dem Herzogtum vertrieben …
»… und wenige Tage später betrat ich Urbino. Welch ein Empfang! Das Volk stand oben auf der Stadtmauer und winkte, als ich mit meinem Gefolge durch die Porta Lavagine ritt. In den Straßen wurde getanzt, und es dauerte eine halbe Stunde, bis ich den Palazzo Ducale erreichte. Ich weiß nicht mehr, wie viele Hände ich geschüttelt habe, Caterina. Oder wie oft ich umarmt und geküsst wurde. Ich habe die Augen geschlossen und mir vorgestellt, du würdest mich umarmen und küssen. O Geliebte, wie sehr ich dich vermisst habe! Die Monate des Exils in Venedig waren endlos lang! Meine einsamen Nächte in einem großen Bett und die Liebeslieder der unter meinem Fenster vorbeirudernden Gondolieri waren unerträglich!
Der Palazzo Ducale ist leer geräumt. Cesare hat alles fortgeschleppt, die Möbel und Teppiche, das Tafelsilber, meine Kleider, meinen Schreibtisch, die Porträts meiner Eltern. Nur meine Erinnerungen nicht, mein Gedenken an eine wundervolle Zeit mit dir. Geliebte Caterina, wie sehne ich mich nach deinem unbeschwerten Lachen, nach Liebe, Glück und Freude! Komm zurück und fülle mein leeres Haus mit Leben. Komm so schnell wie möglich! Ich liebe dich. Guido.«
Hemmungslos schluchzend ließ ich den Brief sinken. Er entglitt meiner Hand und fiel zu Boden.
O Guido, es ist unmöglich!, dachte ich. Ich kann Rom nicht verlassen! Wenn ich nach Urbino gehe, werde ich in wenigen Wochen sterben. Selbst wenn Rodrigo mir gestatten würde, ein paar Phiolen Aurum mitzunehmen: Wie lange würden sie reichen? Und wenn ich nicht mehr in Rom bin, könnte Rodrigo vielleicht in
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