Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
Vom Netzwerk:
gerichtet, in der ich den Nachthimmel erkennen konnte. Ich war im Innersten aufgewühlt, zitterte, bebte.
    Mit geschlossenen Augen und flüsternder Stimme zitierte ich den Text der Tabula Smaragdina, das Glaubensbekenntnis des Alchemisten: » Quod est inferius, est sicut quod est superius, et quod est superius, est sicut quod est inferius. Was unten, ist gleich dem, was oben, und was oben, ist gleich dem, was unten.«
    Ein Schatten fiel über mich, verdeckte das Licht der flackernden Kerzen, aber ich setzte mit geschlossenen Augen mein hermetisches Gebet fort: »Es steigt von der Erde zum Himmel empor, schwebt wieder zur Erde herab und empfängt die Kraft des Oberen und des Unteren. So wirst du den Ruhm und die Herrlichkeit der ganzen Welt haben. Alle Finsternis wird dich verlassen …«
    »Caterina, um Gottes willen!«, hörte ich einen entsetzten Ruf.
    Geblendet vom Kerzenlicht öffnete ich die Augen und sah zu ihm auf. »Gianni!«, flüsterte ich.
    Das ferne Donnergrollen, das ich vor wenigen Augenblicken gehört hatte, war das Öffnen des schweren Bronzeportals gewesen, als Gianni das Pantheon betrat!
    »Ich habe dich gesucht, Caterina. Seine Heiligkeit sagte mir, dass du hier in Santa Maria ad Martyres wärest …«
    »Dann hat Rodrigo dir sicher auch gesagt, dass ich bei den Zeremonien nicht gestört werden will!«, fuhr ich meinen Bruder an, der erschrocken vor mir zurückwich.
    »Caterina, weißt du, was du da tust?«, fragte er atemlos und deutete auf den weiten Kreis der zwölf Kerzen, auf die sieben Symbole der alchemistischen Prinzipien, auf Licht und Schatten. » Quod est inferius, est sicut quod est superius: Du setzt Gott mit Satan gleich! Bist du verrückt geworden? Du rufst die Macht des Fürsten der Finsternis an! Für den Ruhm der Welt, la gloire immortelle! Du zelebrierst eine … eine Satansmesse!«
    Bevor ich antworten konnte, rannte Gianni wie von Furien gehetzt durch das Pantheon und zerstörte den magischen Kreis der Symbole. Was glaubte er denn, damit zu erreichen? Außer seine Furcht zu besiegen, indem er zerstörte, was ihn ängstigte?
    Ich erhob mich und strich den Stoff meines Talars glatt. »Ich kann mir vorstellen, wie das alles auf dich wirken muss, Gianni. Mitternacht, die Kerzen, die Symbole, der Ort …« Ich deutete auf den zerstörten magischen Zirkel. »Könntest du dich bitte beruhigen und vernünftig mit mir reden …«
    »Vernünftig?«, brüllte er mich an. »Wer von uns beiden hat wohl den Verstand verloren?«
    »Du, da du es bist, der hier wie ein Verrückter wütet«, erklärte ich ruhig. Ich deutete auf den Kreis der zwölf Kerzen: »›Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis sein, sondern das Licht des Lebens haben‹, sagte Jesus. Licht und Finsternis sind die zwei Gesichter Gottes! Gianni, bitte glaube mir …« Als ich einen Schritt auf ihn zu trat, wich er ängstlich zurück, um mir nicht zu nahe zu kommen. Er wagte es nicht, mich zu berühren, als sei ich im Bund mit Satan.
    »Danke, Gianni! Ich danke dir für dein unerschütterliches Vertrauen in meinen Glauben und meine Vernunft«, sagte ich verbittert. Gianni verstand nicht, was ich tat, weil er es nicht verstehen wollte. Weil er Angst hatte. »Was willst du eigentlich mitten in der Nacht im Pantheon?«
    »Eigentlich war ich auf dem Weg in den Vatikan, um dich zu besuchen. Ich wollte dir etwas bringen. Aber in deinem Laboratorium warst du nicht. Papst Alexander erklärte mir, du wärest hier in Santa Maria ad Martyres, um zu beten. Mehr sagte er nicht. Und wenn ich es mir recht überlege, wusste er wahrscheinlich gar nicht, was du hier tust, sonst hätte er dich davon abgehalten.« Gianni seufzte über meine Unvernunft. »Da habe ich mich auf den Weg zurück in die Stadt gemacht, um dich zu suchen … und um dir das hier zu geben.«
    »Was ist das?«, fragte ich.
    »Ein Brief von Guido.«
    Überrascht sah ich ihn an. »Aus Venedig?«
    »Aus Urbino. Vor zwei Wochen, am 18. Oktober, hat er die Stadt zurückerobert. Guido ist von eigenen Gnaden wieder Herzog von Urbino. Er schreibt dir, damit du zu ihm zurückkommst!«
    Gianni hielt mir Guidos Brief hin. Als ich ihn nicht nahm, fasste er meine Hand und gab ihn mir. Gedankenverloren starrte ich auf das gefaltete Pergament in meiner Hand, unfähig es zu öffnen, um Guidos Zeilen zu lesen. Nein, ich konnte es nicht!
    »Lies!«, befahl Gianni ungeduldig, entfaltete den Brief und hielt ihn mir vor das Gesicht, sodass ich lesen musste.

Weitere Kostenlose Bücher