Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
Medici überbracht wurde. Seit Monaten hatte ich kein Wort mit Gianni oder Giulio gesprochen, obwohl ich sie hin und wieder in den Loggien des Vatikans traf. Aber die handschriftliche Nachricht stammte auch nicht von ihnen, sondern von Piero:
»So geht es nicht weiter. Komm heute um Mitternacht in den Palazzo Medici. Wir müssen reden. Piero.«
Eigentlich hatte ich keinen Grund, Piero zu trauen. Was war geschehen, dass er über seinen eigenen Schatten sprang und mit mir reden wollte? Und was wollte er, das Oberhaupt unserer Familie, mit mir besprechen? Das war doch keine Einladung zu einem fröhlichen Abendessen im Kreis der Familie! Ich dachte an Cesares liebenswürdigen Brief an Guido – einen Tag bevor er Urbino eroberte. Und ich dachte an Cesares Einladung zum Abendessen an seine Condottieri – eine Stunde bevor er sie hinrichten ließ.
War Pieros Einladung in den Palazzo Medici ein erneuter Versuch, mich loszuwerden? Pieros Attentate auf mich in Mailand und Florenz waren gescheitert. Versuchte er es noch einmal?
Mein Ansehen in Rom und mein furchtbarer Ruf schadeten Piero, wenn er als Regent nach Florenz zurückkehren wollte, ebenso wie Gianni und Giulio, die die Himmelsleiter ihrer Karriere im Vatikan hinaufstolperten. Ich war ihnen im Weg zu Macht und Ansehen und einer triumphalen Rückkehr unserer Familie nach Florenz.
Ich war misstrauisch – doch meine Neugier, was Piero mit mir zu besprechen hatte, war größer als die Angst um mein Leben. Also bewaffnete ich mich, befahl meiner Leibwache, mich zu begleiten, und ritt in jener eisigen Februarnacht zu Giannis Kardinalspalast.
Piero erwartete mich im Hof und half mir beim Absteigen. Dann umarmte er mich und küsste mich auf beide Wangen. »Danke, dass du gekommen bist. Wir haben uns seit Wochen nicht gesehen …«
Mein Bruder hatte mir mit seiner Einladung in den Palazzo Medici das Spielfeld vorgegeben, auf dem wir unser Spiel beginnen würden – welches auch immer das war: Intrigen, Verrat oder Mord. Aber ich würde die Regeln bestimmen. Und ich machte den ersten Zug. »Du scheinst dich ja wirklich zu freuen, mich zu sehen, Piero«, warf ich ihm mit einem sarkastischen Lächeln vor die Füße. »Ungefähr so wie Judas, als er Jesus im Garten mit einem freundschaftlichen Kuss begrüßte.«
Piero sah mich überrascht an, wollte etwas sagen, besann sich aber und schwieg. Offensichtlich wollte er keinen Streit provozieren. Jedenfalls nicht schon im Hof, vor der Dienerschaft. Er reichte mir den Arm und half mir die Treppe hinauf.
Ein Diener öffnete uns die Tür von Pieros Arbeitszimmer und rückte mir einen gepolsterten Ledersessel zurecht. Schweigend nahm ich vor dem Schreibtisch Platz. Mein Bruder stand abwartend am Fenster und sah hinaus, bis der Diener den Raum verlassen hatte. Dann wandte er sich zu mir um.
»Dein Verhalten eben hat mich erschreckt«, gestand er leise.
»An dein Verhalten habe ich mich mittlerweile gewöhnt«, konterte ich. »Was hattest du denn erwartet?«
»Ich weiß es nicht«, seufzte er. Dann schwieg er, als suchte er in seinem diplomatischen Wortschatz nach einem neuen Auftakt für unsere Friedensverhandlungen.
Keinen Schritt ging ich ihm entgegen. Ich lehnte mich auf meinem Sessel zurück und genoss seine sichtliche Unruhe. Was war bloß los mit ihm? Irgendetwas war geschehen … irgendetwas beunruhigte ihn, das sah ich ihm an. Er brauchte mich, vermutete ich, aber er wusste nicht, wie er es mir sagen sollte. Und er durfte mich auf keinen Fall verärgern …
Schließlich blieb er vor mir stehen. »Caterina, lass uns endlich Frieden schließen.« Er streckte die Hand aus, aber ich ergriff sie nicht.
»Du hast mir in Florenz den Krieg erklärt, als ich es wagte, in den Palazzo Medici zu kommen. Du hast zwei Mal versucht, mich umzubringen, weil ich Lorenzos Tochter bin. Du hast mich jahrelang verachtet, gedemütigt oder ignoriert, weil du nicht gegen mich gewinnen konntest. Du bittest mich um Frieden?«
»Glaubst du denn nicht, dass eine Versöhnung zwischen uns möglich ist?«, fragte er. Seine Hand hielt er immer noch ausgestreckt, aber ich beantwortete seine Geste weiterhin mit einem Schweigen. »Lass uns Frieden schließen, Caterina!«, bat er mich eindringlich. »Wir Medici müssen einig sein, wenn wir überleben wollen.«
»Da wir gerade vom Frieden und Einigkeit in der Familie Medici sprechen: Muss ich nicht mehr fürchten, von dir ermordet zu werden? Oder von Gianni beschuldigt zu werden, mit Satan
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