Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
Verrat und erneuerte sehr generös ihre Condotta-Verträge. Die Condottieri, die Guido geholfen hatten, Urbino zurückzuerobern, zogen ein paar Tage später ihr Schwert gegen den Herzog.
Anfang Dezember musste Guido zum zweiten Mal aus Urbino fliehen. Über Gian Giordanos Boten erhielt ich ein Schreiben von Giuliano della Rovere aus Savona, mit der Nachricht, dass Guido erneut nach Venedig geflohen war. Guido schrieb mir nicht mehr. Offenbar war er zu verbittert über mein Schweigen.
Mitte Dezember erhielt ich von Niccolò die erschreckende Nachricht, dass Cesare mit seinem Heer von der Romagna nach Süden zog: »Niemand weiß, was er vorhat. Er weiht niemanden in seine Pläne ein. Er erteilt seine Befehle, wenn ihn die Notwendigkeit dazu zwingt. Er handelt mit einer erschreckenden Plötzlichkeit, gibt seine Anordnungen erst unmittelbar vor der Ausführung bekannt, nicht früher. Mit gezielten Terrorakten wie der Ermordung eines seiner Vertrauten, der ihn verraten hatte, verbreitet er absichtlich Furcht und Schrecken. Er macht mir Angst, denn ich habe keine Ahnung, was er vorhat oder wohin er zieht.«
Nach Rom?, dachte ich. Um seinen Triumph über Guido mit dem Lorbeer seines Sieges über mich zu krönen? Der Kampf mit Cesare schien unvermeidlich …
Das Weihnachtsfest, das Fest der Liebe und der Versöhnung, war das furchtbarste meines Lebens. Ich saß allein in meinem Laboratorium und rang mit den Tränen, mit den Schmerzen eines erneuten Anfalls und mit der Einsamkeit. Ich hatte mich entschlossen, nicht an der Christmesse in San Pietro teilzunehmen. Wäre ich hingegangen, hätte es wieder Gerede gegeben. Aber da ich am Gottesdienst nicht teilnahm, gab es neue Gerüchte, was ich in der Heiligen Nacht wohl getrieben haben mochte. Denn meine wundersame Genesung von dem schweren Anfall, dessen Spuren im Laboratorium erkennbar waren – ich hatte bei meinem Sturz mehrere Glaskolben mitgerissen und zerbrochen –, konnte ja nichts anderes sein als eine Erneuerung meines Paktes mit Satan …
In jenen furchtbaren Tagen war Rodrigo der einzige Freund, der mir blieb. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn er nicht für mich da gewesen wäre, wenn er mir nicht geduldig zugehört hätte, als ich von meinen Gefühlen sprach, wenn er sich nicht wenigstens bemüht hätte, mich zu verstehen. Seine liebevolle Freundschaft war wie die warme Frühlingssonne, die das Eis der Einsamkeit schmelzen ließ, und seine beharrlichen Versuche, mich in sein Bett zu bekommen, amüsierten mich.
Rodrigo fand mich schön und begehrenswert, obwohl ich hinkte, und mein furchtbarer Ruf schien ihm nichts auszumachen. Ich weiß nicht, warum er sich auf dieses gefährliche Spiel mit mir einließ. Ich habe die Antwort nie für wichtig genug befunden, um die Gefühle zwischen uns mit einer derart belanglosen Frage wie »Liebst du mich noch immer?« zu zerstören. Liebe und die unsinnige Hoffnung auf Glück hätten unsere Beziehung nur unnötig kompliziert. Er war für mich da, wenn ich ihn brauchte, und das genügte mir. Dann war die Einsamkeit erträglicher.
Was war diese innige Freundschaft mit Rodrigo anderes, als ein Versuch, mich als Mensch zu fühlen, der trotz allem, was er tut, trotz allem, was er ist, geliebt wird! Ein heroischer Versuch, mir ein klein wenig Stolz und Selbstachtung zu bewahren …
… und im Grunde tat Cesare in der eroberten Stadt Senigallia dasselbe, als er die Condottieri, die ihn wenige Wochen zuvor verraten hatten, unter dem Vorwand eines freundschaftlichen Abendessens – »um die bestehenden Missverständnisse ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen« – in eine tödliche Falle lockte und von Micheletto hinrichten ließ.
In jener furchtbaren Nacht starben Vitellozzo Vitelli und Oliverotto da Fermo, die sich aus Furcht erneut gegen Cesare verschworen hatten, und wenige Tage später meine Cousins Paolo und Francesco Orsini, der Herzog von Gravina.
Als Gian Battista und Rinaldo Orsini beim Papst gegen die Ermordung von Francesco und Paolo protestierten, wurden sie auf Rodrigos Befehl festgenommen. Gian Battista, das Familienoberhaupt der Orsini, wurde in die Engelsburg gebracht, Rinaldo in einem Verlies im Vatikan festgehalten. Als Gian Battistas Bruder Giulio Orsini gegen die Inhaftierung Protest erhob, und der Papst einen Aufstand der Orsini in Rom befürchtete, verschwand auch er hinter den Mauern des Castel Sant’Angelo.
Ehrlich gesagt, war ich überrascht, als mir die Einladung in den Palazzo
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