Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
persönlich ins Bett zu gehen? Was ist mit Giulio? Wird er aufhören, mir mit der Inquisition zu drohen? Werdet ihr alle aufhören, mich wie eine Aussätzige zu behandeln?«
»Bitte vergib uns …«, begann Piero. »Wir haben dir Unrecht getan.«
»Worte, Piero. Nichts als Worte!«, schrie ich ihn an. Ich war viel zu wütend über das Verhalten meiner Familie während der letzten Monate, als dass ich ihm glauben wollte.
Piero ging zu seinem Schreibtisch und holte aus einer kleinen verschließbaren Kassette ein gefaltetes Pergament. »Das wollte ich dir zurückgeben. Ich habe es dir vor Jahren weggenommen.«
Ich entriss ihm das Blatt, entfaltete es und sah überrascht auf. »Das ist Lorenzos Brief, in dem er mich als seine Tochter anerkennt.«
»Ich gebe ihn dir zurück. Als Zeichen meines guten Willens.«
Ich faltete das Pergament umständlich zusammen und dachte nach. Piero schien es wirklich ernst zu meinen, wenn er mir nach all den Jahren meine Identität zurückgab. Im Grunde war es mir gleichgültig, was er mit dem Testament meines Vaters tat: ob er es verbrannte, es mir zurückgab oder mich nach all den Jahren offiziell als Lorenzos Tochter anerkannte. Das Testament hatte für mich jede Bedeutung verloren. Ich würde sowieso bald sterben.
Während ich das Dokument in die Tasche steckte, fragte ich: »Wer weiß noch davon, dass ich Lorenzos Tochter bin?«
»Niemand.«
»Was ist mit Gianni und Giulio?«
»Sie haben keine Ahnung«, versicherte mir Piero.
»Ich glaube, dass Cesare eine Vermutung hat, wer ich bin. Hast du mit ihm über mich gesprochen, als du ihn damals am Hof von Louis in Chinon getroffen hast?«
Piero schüttelte den Kopf. »Nein, Caterina. Er kann unmöglich wissen, dass du Lorenzos Tochter bist.«
»Ich will, dass meine Identität weiterhin geheim bleibt: Ich bin Caterina Vespucci, Giuliano de’ Medicis illegitime Tochter. Lorenzo hat mich in seiner Großzügigkeit als eine Medici anerkannt. Und jetzt trage ich den Namen Montefeltro.«
»Wie du willst«, seufzte mein Bruder. Er war erleichtert, als ich ihm endlich die Hand reichte.
»Aber deswegen hast du mich nicht hergebeten, nicht wahr?«, fragte ich ihn. »Denn um mit mir Frieden zu schließen, hättest du zu mir kommen müssen.«
Piero sah mich betroffen an. »Nein«, druckste er herum, »wir haben noch etwas anderes mit dir zu besprechen …«
»Wir?« , fragte ich scharf. »Wer ist ›wir‹?«
Piero ging zur Tür seines Arbeitszimmers, die zum benachbarten Saal führte, und öffnete sie. Wir wurden erwartet.
Als ich vor Piero den Raum betrat und die Anwesenden erkannte, dachte ich verbittert: Piero hat mich in eine Falle gelockt! Erst verführt er mich mit der Rückgabe von Lorenzos Testament zu einem Handschlag, einem Bündnis, dann setzt er mir den Dolch an die Kehle und stellt seine Forderungen!
Mein Blick glitt über die Anwesenden. Gianni stand mit Giulio am flackernden Kamin und sah mir beunruhigt entgegen, als ich mit Piero den Raum betrat. Gian Giordano Orsini war angespannt, das sah ich ihm an: Er konnte kaum stillsitzen. Neben ihm hatte Erzbischof Adriano da Corneto Platz genommen und starrte mich zitternd vor Aufregung an. Seine Hände umklammerten die Lehnen seines Sessels. Adriano war Rodrigos Sekretär und Vertrauter, den er aus Dankbarkeit für dessen Loyalität wenige Wochen später zum Kardinal ernennen wollte.
Ein junger Mann trat auf mich zu. »Es freut mich, dich endlich kennen zu lernen, Caterina. Ich bin dein Cousin Niccolò Orsini, Conte von Pitigliano und Condottiere der Republik Venedig.«
Ich nickte ihm zu, ignorierte den Stuhl, den Piero mir höflich anbot, und wandte mich an alle Anwesenden: »Ich weiß, was ihr von mir wollt. Lasst es uns kurz machen, denn es ist schon spät. Ich schlage daher vor, dass ich euch die Peinlichkeit eurer Bitte erspare, auf die meine Antwort Nein lauten wird.«
Sie starrten mich an, erschrocken über meine Entschlossenheit.
Ein leises Lachen ließ mich herumfahren. Im Schatten einer Fensternische lehnte Giuliano della Rovere.
Gian Giordano war aufgesprungen und drängte seinen Cousin Niccolò zur Seite. »Du musst es tun, Caterina! Kardinal Gian Battista, Kardinal Rinaldo und Giulio Orsini sind Gefangene der Borgia. Sie werden hingerichtet werden wie Francesco und Paolo! Willst du ihren Tod auf dem Gewissen haben?«
»Ich?« , wies ich meinen Cousin zurecht. »Ich bringe niemanden um, weder Gian Battista noch Rinaldo oder Giulio. Und Rodrigo Borgia
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