Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
hättest.«
»Hättest du ihn getötet?«, lauerte er.
»Ich weiß es nicht«, gestand ich ehrlich. »›Ein Leben für ein anderes‹ ist ein Spiel ohne Gewinner.
Ich bin gescheitert auf meinem Weg, das Lebenselixier zu finden. Diese Erkenntnis ist demütigend genug! Erspare mir also, dich noch vor mir an den Folgen meines Irrtums qualvoll sterben zu sehen. Ich liebe dich zu sehr, als dass ich deinen Tod ertragen könnte.«
Er sah mich ungläubig an, erkannte aber, dass ich es ernst meinte.
»Wir sind beide in derselben hoffnungslosen Lage, Cesare. Uns beiden rinnt die Lebenszeit durch die Finger, ohne dass wir selbst etwas daran ändern könnten. Diese Ohnmacht ist das Schlimmste, nicht wahr? Stillzuliegen und auf das Ende zu warten. Aber du kannst mich retten, wie ich vielleicht dich retten kann.«
»Wie?«, fragte er.
»Du sagst, dein Vater sei bewusstlos. Er kann also nicht ins Laboratorium gehen. Ich könnte wenigstens versuchen, das Elixier zu finden, das uns retten kann. Dich, mich und deinen Vater.«
»Du willst zu Ende bringen, was du begonnen hast. Du willst uns beide umbringen …«, begann er.
»Nein, Cesare. Vor drei Tagen war ich mir so sicher gewesen, das Elixier gefunden zu haben, dass ich es selbst getrunken hätte. Was glaubst du, warum ich deinen Vater zwingen wollte, es mir zurückzugeben? Ich brauche es, um zu überleben. Ich war verzweifelt, weil er mich verraten hat – nach all den Jahren unserer Freundschaft! Das ist meine Version der Wahrheit.«
»Warum bist du geflohen, wenn du ihn nicht töten wolltest?«
»Weil du mich mit deinem Degen bedroht hast. Ich sah keine andere Möglichkeit, mein Leben zu retten«, erklärte ich.
»Und warum bist du heute Nacht zurückgekehrt?«
»Aus demselben Grund. Ich wollte versuchen, in dieser Nacht eine weitere Phiole herzustellen. Die letzte Transmutation vor drei Tagen hat nur wenige Stunden gedauert, und so hoffte ich, es erneut zu schaffen, bevor ich entdeckt werde. Oder bevor ich sterbe.« Ich schwieg eine Weile, dann fuhr ich entschlossen fort: »Dass du mich in deinem Zorn hinrichten willst, kann ich verstehen. Ich kann dich nicht davon abhalten. Aber du weißt selbst, wie unerträglich es für dich sein wird, mich sterben zu sehen. Denn zusehen wirst du, nicht wahr?« Als er langsam nickte, fuhr ich fort: »Als ich dich nach Alfonsos Tod verlassen habe, hast du mir erwidert, dass wir ohne einander nicht leben können, weil wir unser Spiegelbild im anderen lieben. Wir gehören untrennbar zusammen. Du hast damals gesagt: »Vor dir selbst kannst du nicht weglaufen. Und vor mir auch nicht«.
Cesare, du kannst mich nicht loswerden, indem du mich umbringst. Ich werde immer noch da sein – in deinen Gedanken!«
Er nickte still.
»Wenn du mich erst nach deinem Tod hinrichten lässt, ersparst du dir den furchtbaren Anblick, mich vor dir sterben zu sehen. Wenn du überlebst, habe ich dich nicht vergiftet. Wenn du stirbst, werde auch ich sterben. Ich glaube, dass das eine Vereinbarung ist, mit der wir beide leben können …«
Das Laboratorium war mein Gefängnis – als ob es das nicht vom ersten Tag an gewesen wäre!
Nach einem kurzen Besuch an Rodrigos Bett – er war noch immer bewusstlos, und die Ärzte flatterten aufgeregt um ihn herum – wurde ich ins Laboratorium eskortiert. Die Tür blieb unverschlossen, und ich durfte mich innerhalb des Vatikans frei bewegen, so wie immer. Ich wäre sowieso nicht geflohen.
Das Feuer im Athanor war ausgegangen. Ich entzündete es erneut und begann damit, die erste der letzten drei Phiolen ha-Our im Feuer abzuschmelzen, hermetisch zu verschließen und zu tingieren. Dann vergrub ich mich in einem Berg von Büchern, um herauszufinden, warum ich gescheitert war.
Ich vertiefte mich in die Schriften über die sieben kosmischen Prinzipien, die magischen Operationen, die Macht des Geistes über die Materie. Es gab sieben Transmutationen, die die Materie im Alambic – und den Menschen – veränderten, aber unzählige Wege, die Stufen der Erkenntnis und der Schöpfung hinaufzusteigen. Die alchemistischen Texte, die diesen Weg beschrieben, waren dunkel und unverständlich. Kaum ein Alchemist stimmte mit einem anderen überein. Jeder kämpfte sich allein durch dieses Dornengestrüpp aus Glauben und Wissen.
Der Tag verbrannte wie die Materie in der Phiole. Ich las, bis mir die Augen tränten. Am späten Nachmittag besuchte ich Rodrigo, der immer noch nicht erwacht war. Ich blieb eine Stunde bei ihm,
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