Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
Expedition nach Westen zugestimmt … und … Mein Kopf schwirrte. Amerigo würde seinen Traum verwirklichen: Eines Tages würde er selbst an Bord eines Schiffes gehen, um die längste Reise seines Lebens anzutreten.
»Wann wirst du abreisen?«, fragte ich.
»Mein Schiff von Pisa nach Spanien geht morgen Mittag.«
»Morgen!«, stöhnte ich. Es war kaum Zeit für einen Abschied. »Werden wir uns wiedersehen?«, fragte ich mit einem gequälten Lächeln. Amerigo sah so glücklich aus! Für ihn ging ein Traum in Erfüllung. Ich hatte kein Recht, sein Glück zu zerstören, indem ich an mich und meinen Schmerz dachte, ihn zu verlieren. Ich hatte ihn doch selbst ohne Abschied verlassen.
»Ich glaube nicht, dass ich nach Florenz zurückkehren werde.«
»Wenn du Leiter des Medici-Kontors in Khanbalik geworden bist, dann schick mir deine Reisebeschreibungen aus China«, bat ich ihn im Scherz. Tränen liefen über meine Wangen. »Ich werde sie mit Marco Polos Abenteuern vergleichen und wissen, wo du bist.«
»Ich werde dir aus China schreiben, Caterina! Und aus Indien. Von den Gewürzinseln und vom Ende der Welt. Versprochen!«, lachte er und drückte mich zum Abschied an sich.
»Die Würfel sind gefallen!«, hatte Lorenzo gesagt.
Schlaflos lag ich auf meinem Bett. Ich war viel zu aufgeregt, um einen klaren Gedanken zu fassen, viel zu erschöpft, um einschlafen zu können.
Amerigo wollte am nächsten Tag nach Spanien segeln. Und in einigen Monaten vielleicht bis in eine Gegend, die nicht einmal auf Toscanellis Karten verzeichnet war: an den Rand der Welt. Ich betete darum, dass er eines Tages von dort zurückkehren würde. Giovanni Sforza dagegen wünschte ich genau dorthin: ans Ende der Welt. Nach Pesaro – diesem winzigen Tintenfleck auf der Landkarte Italiens. Wie konnte er es wagen, Lorenzo um meine Hand zu bitten! Nicht nur seine unglaubliche Impertinenz, mich vor vollendete Tatsachen zu stellen, sondern auch die Aussicht, nach einer Heirat mit Giovanni Sforza meinen Traum – meine Karriere als Gelehrte – aufgeben zu müssen, machte mich wütend. Sollte ich den Rest meines Lebens damit verbringen, lächelnd Glück und Zufriedenheit vorzutäuschen, im Bett stillzuliegen und zu stöhnen, wenn mein ungeliebter Gemahl seine Lust an mir stillte? Ich würde alle zehn Monate schwanger sein und dann mit fünfundzwanzig tapfer lächelnd zusehen, wie mein Gemahl sich mit einer jüngeren Geliebten amüsierte, während ich seinen Kindern Manieren beibrachte.
Nein, die Würfel waren nicht gefallen. Noch nicht!
Ich würde so lange würfeln, bis mir das Ergebnis gefiel …
Kapitel 3
Amors Pfeile
S töhnend drehte ich mich auf die andere Seite. Es war noch zu früh, um aufzustehen. Die Sonne war ja noch nicht aufgegangen …
»Madonna Caterina«, flüsterte Ginevra erneut, während sie versuchte, mir sanft die Decke wegzuziehen.
»Lass mich in Ruhe!«, brummte ich und umarmte mein Kissen.
Was für ein schöner Traum! Seine Hände hatten mich gestreichelt, sanft, fordernd, seine Lippen hatten mich geküsst, meine Brüste, die Stelle hinter dem Ohr, die so furchtbar kitzelig war … Er war so stark, so leidenschaftlich und dabei so zärtlich! Er war schön wie ein griechischer Held, gezeichnet von Michelangelo.
Nur nicht aufwachen!, dachte ich und vergrub mein Gesicht in dem Kissen, von dem ich wünschte, es wäre er. Mein Geliebter im Traum hatte wirklich eine verblüffende Ähnlichkeit mit der Skizze, die Michelangelo mir vor einigen Tagen gezeigt hatte …
»Seine Exzellenz bittet Euch in sein Studierzimmer«, bestellte mir Ginevra, während sie zum zweiten Mal erfolglos versuchte, mir die Decke wegzuziehen.
»Aber es ist mitten in der Nacht!«, protestierte ich.
»Seine Magnifizenz bat mich, Euch mitzuteilen, dass Gian Giordano Orsini aus Rom gekommen ist.«
Virginio Orsinis Sohn! Aus Rom, mit Nachrichten von Giulio!
Ich sprang aus dem Bett, warf mir ein Kleid über und wusch das Gesicht, während Ginevra an den Schleifen des Mieders herumnestelte. Für das Aufstecken der Haare blieb keine Zeit. Mit ungebändigten Locken rauschte ich durch die Gänge des Palazzo und die Treppe hinab zu Lorenzos Studierzimmer.
Lorenzo saß, das Kinn in die Hand gestützt, hinter seinem Schreibtisch und starrte in das prasselnde Kaminfeuer. Er war wohl gerade erst gekommen und erwartete mich voller Ungeduld.
Der junge Mann auf dem Sessel vor Lorenzos Schreibtisch erhob sich bei meinem Eintreten.
» Buon giorno, Caterina!«,
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