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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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begrüßte mich Lorenzo. »Das ist Gian Giordano, der Sohn von Virginio Orsini, dem Conte von Bracciano. Er ist vor einer halben Stunde aus Rom eingetroffen.«
    Gian Giordano Orsini war zwei oder drei Jahre älter als ich. Er war hoch gewachsen und muskulös. Seine sonnengebräunten Gesichtszüge konnte ich nicht anders als klassisch römisch nennen. Seine Kleidung war einem Sohn, Enkel und Urenkel eines Conte Orsini angemessen: eleganter Schnitt, erlesene Stoffe, aber aufgeplustert wie eine Elster in der Mauser. Allein die Goldkette um seinen Hals mit dem daran befestigten Orden von San Michele musste ein Vermögen wert sein. Wenn Gian Giordano Orsini mit siebzehn oder achtzehn Jahren – älter war er nicht – bereits dieses begehrteste aller Ehrenzeichen trug, musste er sich auf dem Schlachtfeld ausgezeichnet haben.
    »Ihr werdet sehnsüchtig erwartet, Signor Orsini«, gestand ich.
    Ich reichte ihm die Hand zum Kuss, aber Gian Giordano Orsini nahm sich gleich alles, was er bekommen konnte: Er schloss mich in die Arme und küsste mich auf die Wange. Einen Augenblick lang fragte ich mich, ob der Orden von San Michele nur für Unerschrockenheit in der Schlacht oder auch für Unverfrorenheit in gesellschaftlichem Umgang verliehen wurde.
    »Nicht so förmlich, Caterina! Wir sind mehr oder weniger Cousins. Bitte nenne mich Gian Giordano.« Er nutzte unsere Verwandtschaft schamlos aus und küsste mich auch noch auf die andere Wange.
    »Kommt Ihr … kommst du direkt aus Rom?«, fragte ich, während ich mich vor dem flackernden Kamin niederließ.
    »Vorgestern im Morgengrauen bin ich von Rom aufgebrochen. Ich bin die Via Cassia entlang über Viterbo nach Siena geritten, wo ich gestern Abend ankam. Ich habe das Pferd gewechselt und bin gleich nach Florenz weitergeritten.« Gian Giordano hatte sich wieder auf dem Sessel vor Lorenzos Schreibtisch niedergelassen. Nun lehnte er sich zurück und sah mich erwartungsvoll an, als wartete er gespannt auf meine nächste Frage.
    Seine Selbstsicherheit, seine Überheblichkeit, seine unglaubliche Unverfrorenheit reizten mich, aber ich blieb höflich: »Du bist die ganze Nacht geritten? Du musst müde sein.«
    Gian Giordano lächelte artig, als hätte ich einen Scherz gemacht. »Ich kommandiere als Condottiere das Söldnerheer meines Vaters. Es war nicht die erste Nacht, die ich im Sattel verbracht habe.«
    »Hast du Nachrichten von Giulio?«, fragte Lorenzo ungeduldig.
    »Ich habe ihn in Rom gesucht. Ich war bei meinem Cousin Rinaldo, dem Erzbischof von Florenz. Aber Rinaldo wusste von nichts. Giulio ist nicht bei ihm gewesen.«
    »Er war nicht bei Rinaldo?« Lorenzo war plötzlich sehr blass.
    »Ich habe Monsignor Burkhard aufgesucht, den päpstlichen Zeremonienmeister. Johannes Burkhard weiß alles, was im Vatikan vorgeht – wer Kardinal wird und wer mit wem ins Bett geht. Ich fragte ihn, ob er etwas über Giulio wüsste …«
    »Und?«, unterbrach ich Gian Giordano ungeduldig mit einem besorgten Seitenblick auf Lorenzo, der wie versteinert hinter seinem Schreibtisch saß.
    »Giulio ist nicht im Vatikan gewesen. Weder bei Rinaldo, um ihn um die Weihe zu bitten, noch beim Papst. Vielleicht hatte er die Pilgerfahrt durch die sieben Kirchen Roms machen wollen, um Absolution für seine Sünden zu erlangen, bevor er sich zum Priester weihen ließ. Die Wallfahrt dauert ein paar Tage. Also ließ ich meine Männer die Kirchen und die Pilgerunterkünfte im Borgo Sant’Angelo durchsuchen. Nichts! Dann habe ich diskrete Nachforschungen in den Palazzi der Kurtisanen angestellt. Ich war bei Fiammetta und Beatrice …«
    Ich konnte ein spöttisches Lächeln nicht unterdrücken, als ich mir vorstellte, wie Gian Giordano Orsini in geheimer Mission die berühmtesten Kurtisanen von Rom aufsuchte. Seine »Nachforschungen« dauerten wahrscheinlich die ganze Nacht. Er hatte wirklich keine Anstrengungen gescheut, meinen Bruder zu finden!
    »Sie wussten nichts von Giulio …« Mein Lächeln irritierte Gian Giordano, und er verzog ärgerlich den Mund. »Ich habe die ganze Stadt nach ihm durchsuchen lassen. Meine Razzia hat für einiges Aufsehen gesorgt, besonders als ich die Cloaca Maxima absuchen ließ. Einige Römer verwechseln die Cloaca mit dem Fluss Styx und entsorgen ihre Leichen dort.«
    Erschrocken fragte ich: »Hast du etwas gefunden?«
    »Ich fand tatsächlich eine Leiche. Es war kein schöner Anblick. Wir hatten einige Schwierigkeiten, den Toten zu identifizieren. Aber schließlich erkannte

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