Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
kletterte, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, die Böschung hinauf.
Er folgte mir, hielt mich am Arm zurück. »Es tut mir Leid«, entschuldigte er sich.
»Mir tut es auch Leid«, gab ich zurück. »Aber ich muss ein Versprechen einlösen!« Dann schlug ich zu.
Völlig unerwartet traf ihn meine Hand ins Gesicht, und er stolperte zwei Schritte rückwärts. Verblüfft sah er mich an, dann trat er auf mich zu, schlang seine Arme um mich, zog mich an sich und küsste mich hart und fordernd auf die Lippen. Ich rang nach Atem, als ich mich fast widerwillig aus seiner Umarmung befreite.
»Können wir jetzt mit den Friedensverhandlungen beginnen?«, fragte er.
»Ich bin tropfnass«, beschwerte ich mich. »Außerdem ist mir kalt. Wie wäre es mit einem Waffenstillstand?«
»Einverstanden! Über die Bedingungen können wir verhandeln, während ich dich in meinen Palazzo bringe und du dir etwas Trockenes anziehst.«
Was für einen Anblick müssen wir in diesem Moment geboten haben! Zwei junge Männer, die sich erst prügelten und dann küssten, um anschließend Arm in Arm wegzugehen. Glücklicherweise war die Aufmerksamkeit der Zuschauer noch immer auf die Schlacht auf dem Ponte di Mezzo gerichtet.
Ich zögerte. Was sollte ich tun? Giulio und Gianni waren noch auf der Brücke. Ich war allein mit Cesare. Und ich war tropfnass und brauchte trockene Kleidung, wenn ich nicht eine Erkältung und ein paar langweilige Tage im Bett riskieren wollte. Ich kannte mich in Pisa nicht aus, und der Weg zurück zum Palazzo Medici über den Ponte di Mezzo war mir versperrt. Was sollte ich denn anderes tun, als ihm zu folgen? Das klingt wie eine Rechtfertigung – und eigentlich war es das auch. Ein paar Schritte den Arno hinauf führte eine zweite Brücke über den Fluss. Ich hätte den Weg ohne Probleme finden können, wenn ich gewollt hätte …
Aber ich hatte keine Lust, in den Palazzo zurückzukehren, mein Kleid anzuziehen und wieder Caterina de’ Medici zu sein. Trotz der Kälte fühlte ich mich sehr wohl in Giulios Kleidern. Ich genoss es, mich wie ein junger Mann zu benehmen und wie einer behandelt zu werden. Es war ein bisschen wie Karneval, und ich wollte meine Narrenfreiheit noch ein wenig auskosten.
Und was sollte mir im Palazzo des Bischofs von Pamplona schon geschehen? Er war ein Freund von Gianni, ein Student der Universität, der Sohn des Vizekanzlers, Kardinal Borgia. Was, um Himmels willen, sollte denn passieren …?
Also folgte ich ihm.
»Was willst du eigentlich in Pisa?«, fragte er nach einer Weile, als wir am Arno entlanggingen. Der Wind wehte vom Hafen herüber und ließ mich in meiner nassen Kleidung frösteln. Cesare legte mir den Arm um die zitternden Schultern.
»Ich wollte nach Giulio sehen – ob es ihm gut geht.«
»Seit wann weißt du, dass Giulio in Pisa ist? Er sagte mir, er hätte niemandem verraten, wo er hingeht …«
»Ich ahnte es seit heute Morgen«, gestand ich. »Seit ich wusste, dass Giulio nicht in Rom ist, um Erzbischof Orsini um die Priesterweihe zu bitten.«
»Und dann hast du beschlossen, nach Pisa zu reiten, um nachzusehen, ob dein Bruder hier ist.« Cesares Augen funkelten. »Und wenn du Giulio hier nicht gefunden hättest? Weder an der Sapienza noch im Palazzo Medici?«
»Dann wäre ich nach Rom geritten«, erwiderte ich, als wäre das die selbstverständlichste Sache der Welt.
Er grinste. »Und wenn du ihn auch dort nicht gefunden hättest – würdest du Papst Innozenz mit erhobener Faust drohen: ›Gib mir meinen Bruder zurück, Heiliger Vater, sonst kommt mein Zorn über dich‹?«
»Ich würde ihn nicht schlagen«, lachte ich, amüsiert von der absurden Vorstellung einer Audienz bei Papst Innozenz.
»Mich hast du geschlagen! Ich bin Bischof von Pamplona – er ist Bischof von Rom.«
»Es wird nicht wieder vorkommen«, versicherte ich ihm.
»Versprochen?«, fragte er, als glaubte er mir kein Wort.
Cesare Borgias Palazzo lag in der Nähe der Kirche San Paolo. Es war ein prachtvolles Gebäude mit einem eleganten Innenhof und einem herrlichen Rosengarten. Eine Treppe aus weißem Marmor führte in den ersten Stock, wo der Majordomus uns erwartete.
»Ein heißes Bad!«, befahl Cesare. »In meinem Schlafzimmer!«
Der Majordomus verneigte sich und verschwand, nicht ohne mir, dem jungen Mann an der Seite des Bischofs, einen neugierigen Blick zugeworfen zu haben.
Cesare führte mich durch den prächtig ausgestatteten Palast und zeigte mir die mit antiken Statuen
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