Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
Valencia.«
»Aber Papst Innozenz lebt noch …«, wandte ich ein.
»Das kann sich in seinem Alter über Nacht ändern.«
»Die Kardinäle wählen den Papst im Konklave …«
»Ich bin Doktor des Kanonischen Rechts, Caterina«, erinnerte er mich mit einem gequälten Lächeln. »Das ist pure Theorie! Die Praxis sieht so aus, dass ein umsichtiger Kardinal eine Menge Dukaten ausgibt, um sich vor Überraschungen im Konklave zu schützen. Mein Vater ist seit vierunddreißig Jahren Vizekanzler der Kirche und de facto trifft er die Entscheidungen, nicht dieser Possenreißer auf dem Stuhl Petri, dem es Spaß bringt, Dekrete meines Vaters zu revidieren. Mein Vater hat die Geduld verloren und beschlossen, dass Kardinal Ascanio, der Bruder Ludovico Sforzas, sein Nachfolger als Vizekanzler der Kirche werden soll.«
Ich musste mich für einen Augenblick auf die Mauerbrüstung setzen, um Ordnung in meine Gedanken zu bringen.
Papst Innozenz war Lorenzos Schwager. Er war eine wichtige Stütze der Macht der Medici in Florenz. Wenn er starb … das konnte den Sturz der Medici bedeuten! Das von Lorenzo angestrebte Gleichgewicht der Mächte zwischen Mailand und Florenz, Venedig und Neapel war bedroht, die Verteilung der Herrschaft zwischen den Sforza, den Medici, den Aragón und den um Macht und Einfluss ringenden Borgia stand auf dem Spiel. Und damit der Frieden in Italien!
Und dann? Kardinal Rodrigo Borgia als Papst? Cesare als Kardinal? Mein Cousin Gianni im nächsten Konklave! Wem würde er wohl seine Stimme geben – nachdem der Vizekanzler Giulio so großzügig das Priorat in Capua mit den damit verbundenen Einkünften verschafft hatte und Cesare meinen Bruder zum Priester weihen ließ! Pater Giulio de’ Medici würde sicherlich eine kometenhafte Karriere machen, wenn … ja, wenn …
Mir stockte der Atem.
Die Borgia hatten die Stimmen der Medici gekauft! Und sie hatten keinen einzigen Fiorino dafür ausgegeben. Gianni würde im Konklave für Kardinal Borgia stimmen. Er konnte gar nicht anders, wenn er nicht irgendwann als eine der »geborstenen Säulen« aus der Hierarchie entfernt werden wollte. Und sollten ihn wider Erwarten Zweifel quälen, würde Pater Giulio dafür sorgen, dass sein Cousin sich dankbar zeigte. Oder ich! Hatte Cesare mich verführt, um mich in der Hand zu haben? Siedend heiß rann die Scham durch meine Adern und setzte mich in Flammen. Hatte er mich benutzt? Ich schüttelte den Kopf. Er war so leidenschaftlich gewesen, so zärtlich, als wäre er in mich verliebt. Nein, ich wollte diesen Gedanken nicht zu Ende denken.
»Aber erst muss Papst Innozenz sterben«, flüsterte ich, um mich selbst zu beruhigen und um mich von der Unsinnigkeit meiner eigenen Mutmaßungen zu überzeugen.
Cesare lächelte rätselhaft. »Du hast Recht. Zuerst muss er sterben!«
Wie ein Verrückter rannte Cesare wenige Minuten später die Stufen des Turms hinunter. Ich konnte kaum mit ihm Schritt halten.
»Der Abstieg geht immer schneller als der Aufstieg«, lachte Cesare übermütig, als er mit Micheletto unten auf der Piazza dei Miracoli auf mich wartete.
Er wollte mich in die Arme nehmen, aber ich entzog mich ihm. »Und am schnellsten geht es, wenn man stolpert und fällt«, bemerkte ich wütend. Ich meinte nicht den Sturz vom Campanile!
Cesare verstand mich. »Wenn man stolpert, ist man so gut wie tot. Den Sturz aus dieser Höhe überlebt niemand.«
Eines Tages würden wir uns seiner Worte erinnern – zwölf Jahre später in Rom. Er würde versuchen, mich festzuhalten, sich an mir aufzurichten. Aber dann wäre er schon gestolpert und gestürzt – über den Leichnam seines Vaters.
Cesare nahm meine Hand und führte mich zum Palazzo Medici, wo Kardinal Giovanni de’ Medici nach der Sonntagsmesse im Dom, die Cesare und ich verpasst hatten, den Erzbischof von Pisa zum Essen empfing.
Nach meiner Ankunft im Palazzo verschwand ich in Giulios Schlafzimmer, zog die bequemen Hosen aus und zwängte mich fluchend in eines meiner Kleider aus den Reisetruhen, die ein Wagen aus Florenz gebracht hatte. Ich war wieder Caterina de’ Medici, schlüpfte wortlos in die Rolle der Gastgeberin an der Seite meines Cousins, des Kardinals, der in seinem Palazzo Hof hielt.
Gianni und Giulio saßen an der Tafel und sahen überrascht auf, als ich an Cesares Arm zum Mahl erschien.
Cesare begrüßte den Erzbischof von Pisa und sein Gefolge, während mir ein Diener einen Stuhl neben Gianni zurechtrückte.
»Wo, zum Teufel, warst du,
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