Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
Caterina? Giulio und ich haben dich gestern nach dem Fest gesucht«, fragte Gianni unwillig.
»In Cesares Palazzo«, erklärte ich ihm, während ein Diener mein Weinglas füllte und ein anderer einen Teller mit gefülltem Fasan in Maronensauce und Pastinaken vor mir platzierte. Durstig leerte ich das Glas. »Ich war während des Gerangels auf dem Ponte di Mezzo in den Arno gestürzt, und Cesare hat mich wieder herausgezogen.«
»Du warst die ganze Nacht bei ihm?« Giulio sah mich missbilligend an. »Caterina, wenn du beichten willst, stehe ich dir nach dem Essen gern zur Verfügung …«
»Das wird nicht nötig sein, Giulio! Denn wir werden sicherlich heute noch einmal sündigen.«
Giulio sah mich entsetzt an. »Hat er dich verführt?«
»Nein, Giulio. Ich habe ihn verführt«, erklärte ich in dem sinnlosen Versuch, mir einen Rest von Selbstachtung und Stolz zu bewahren.
»Caterina, wie konntest du? Wenn Lorenzo davon erfährt …«
»Wer sollte ihm davon erzählen, Giulio?«, triumphierte ich. »Willst du nach dem Bankett nach Florenz reiten und Lorenzo alles berichten? Dass ich deine Hosen anhatte und auf dem Ponte di Mezzo mit Cesare gerungen habe? Dann warte mit deiner Rückkehr nach Florenz bitte so lange, bis ich dir deine Hosen zurückgegeben habe, denn in einer schwarzen Soutane würde ich an deiner Stelle nicht zu Hause auftauchen.«
Giulio schnappte nach Luft, und Gianni starrte mich ungläubig an, als ich fortfuhr: »Wenn du mein kleines Geheimnis nicht an das Domportal in Florenz nagelst, Giulio, werde ich Lorenzo nicht verraten, dass du gegen seinen Willen in Pisa studierst. Oder dass Gianni seinen Freund, den Bischof von Pamplona, gebeten hat, dich zum Priester weihen zu lassen.«
»Lass mich da raus!«, verlangte Gianni.
»Du steckst am tiefsten drin«, antwortete ich. Wie tief, verriet ich ihm nicht.
Nach dem mehrgängigen Mahl spielte eine Gruppe von Musikern ein paar fröhliche Stücke der Komponisten Josquin Desprez und Antoine Brumel, und ich tanzte mit dem Erzbischof von Pisa eine Pavane nach der anderen. Cesare saß am Tisch und sah mir dabei zu, während er sich mit Gianni und Giulio unterhielt. Je länger ich mit dem Erzbischof tanzte, desto wütender wurde Cesare – und umso fröhlicher wurde ich. Wenn Cesare zornig wurde, weil ich mit einem anderen tanzte, dann hatte er mich nicht einfach nur benutzt! Dann liebte er mich!
Schließlich rauschte ein eifersüchtiger Bischof quer durch den Saal, drängte den verdutzten Erzbischof mit einem »Vergebt mir, Frater!« zur Seite, ergriff meine Hand und tanzte mit mir.
»Tu so etwas nie wieder!«, fauchte er, während wir unsere Pirouetten drehten.
» Was soll ich nie wieder tun?«, fragte ich gereizt.
»Mich provozieren, indem du mit anderen flirtest. ¡Te quiero! Ich liebe dich! Du gehörst mir und niemand anderem!«
In dieser Nacht gehörte ich ihm mit Leib und Seele, wie in den folgenden Tagen und Nächten. Wir waren wie berauscht voneinander, weil wir im anderen uns selbst erkannten. Unser Temperament. Unsere Leidenschaft. Unsere Sehnsucht. Alles, was wir sein konnten. Alles, was wir sein wollten.
Cesare brachte mir ein paar Sätze Spanisch bei – die Art von Formulierungen, mit denen ich nicht in höfischer Gesellschaft angeben konnte. Er sang schwermütige Lieder aus Spanien und nahm mich einmal mit zu einer Corrida de Toros, einem Stierkampf, den sein spanisches Gefolge auf der Piazza dei Cavalieri veranstaltete. Cesare und ich ruderten auf dem Arno bis zum Hafen, speisten inkognito in einer heruntergekommenen Hafenspelunke und diskutierten die halbe Nacht mit Matrosen und Huren über den Sinn und Unsinn des Lebens. Wir lachten Tränen und genossen jeden Atemzug unseres Seins.
Carpe diem! An jene unbeschwerten Tage in Pisa erinnere ich mich noch heute mit Vergnügen – trotz allem, was Cesare und ich uns in den folgenden Jahren angetan haben, um den anderen zu demütigen und in die Knie zu zwingen. Wir genossen diese Tage der Sinnlichkeit, der Lust und der Freude in vollen Zügen.
Fünf Tage blieb ich in Pisa, dann kehrte ich nach Florenz zurück, ohne Cesares Frage – » Tu me quieres? – Liebst du mich?« – beantwortet zu haben. Ich ritt zurück zu Giovanni Sforza, der auf mich wartete, weil er dachte, ich würde ihn heiraten.
Amors Pfeile hatten mich getroffen und rissen eine tiefe, schmerzhafte Wunde, als ich mich von Cesare verabschiedete. Dass der Gott der Liebe mit seinen Pfeilen mehr als eine zum Scheitern
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