Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
machte mich jeden Tag wütender. Eines Tages würde ich diesen eingebildeten Signori beweisen, dass ich es mit ihnen – mit jedem von ihnen – aufnehmen konnte.
»Du kannst tun, was dir Spaß macht«, sagte Cesare zu meiner Überraschung. Hatte er gescherzt? Nein, sein Gesicht war ernst, als meinte er wirklich, was er sagte. »Der Mensch kann alles tun und werden, wenn er es nur will. Sola fide – allein durch den Glauben, den Glauben an sich selbst. Er muss nur der Göttin Fortuna ein paar Opfer bringen.«
»Welche Opfer?«
»Seine Zweifel und Hemmungen.«
Amen!, stimmte ich ihm im Stillen zu.
Cesare, der immer noch am Katheder lehnte, rief zu mir herauf: »Die Lehrstunde ist beendet. Komm herunter, Caterina! Ich will dir zeigen, wovon ich träume, wenn ich nachts wach liege.«
Ich stieg die Stufen des Auditoriums hinab und folgte ihm durch die Gänge der Sapienza hinaus auf die Piazza. Arm in Arm, wie zwei gute Freunde, gingen Cesare und ich an diesem Morgen durch die Straßen von Pisa. Man hätte uns für Studiosi halten können, die am Sonntag nach der Messe in der umfangreichen Bibliothek der Universität gewesen waren, um ein Zitat von Thomas von Aquino oder Aurelius Augustinus nachzuschlagen.
Cesare und ich waren hungrig, und so kauften wir am Stand eines Krapfenbäckers auf der Piazza Dante eine Hand voll köstlicher Pasticcini, die wir genüsslich verspeisten, während wir durch die Straßen von Pisa schlenderten. Wir hatten es nicht eilig, in den Palazzo Medici zurückzukehren.
Auf der Piazza Dante wurde ich zum ersten Mal auf den Mann aufmerksam, der an diesem Sonntagmorgen auf einem Mauervorsprung neben dem Portal der Sapienza gesessen hatte, als würde er auf uns warten.
Cesare und ich schlenderten Arm in Arm die Via San Frediano hinauf zur Piazza dei Cavalieri, wo ich den Fremden wieder sah. »Wir werden verfolgt«, flüsterte ich, als ich mich erneut umwandte.
»Das macht das Leben spannend«, sagte Cesare in normaler Lautstärke, als würde es ihn nicht stören, wenn unser Verfolger uns hörte.
Noch einmal blickte ich über die Schulter zurück. Der Fremde musste bemerkt haben, dass ich ihn gesehen hatte – aber er schien sich nichts daraus zu machen. Ungeniert folgte er uns in zwanzig Schritten Abstand über die Piazza dei Cavalieri. Er gab sich nicht die geringste Mühe, wie ein Kirchgänger auszusehen und unauffällig in der Kapelle neben dem Palazzo della Carovana zu verschwinden oder in einer der dunklen Gassen, die von der Piazza dei Cavalieri wegführten.
»Wie sieht er denn aus?«, fragte Cesare, ohne sich umzudrehen.
»Wie ein Racheengel Gottes.«
»Das ist Micheletto, mein Schutzengel«, grinste Cesare über meine Einschätzung von Michelettos Charakter. »Mein Vater bezahlt ihn, damit er auf mich aufpasst.«
»Damit du keine Dummheiten machst?«, hakte ich nach.
»Damit niemand anders die Dummheit begeht, sich mit mir anzulegen. Er ist mein Leibwächter. Er folgt mir überall hin.«
»Überall?«
»Heute Nacht hat er vor der Tür meines Schlafzimmers geschlafen.«
»Du meinst, er hat gelauscht.«
»Vermutlich. Ich gönne ihm sein Vergnügen.«
»Und wenn er deinem Vater erzählt, wie du in Pisa die Nächte mit dem ›Studium der Anatomie‹ verbringst?«, fragte ich nach.
Cesare zuckte mit den Schultern, als ginge ihn nichts von dem an, was Micheletto tat. »Das wird er nicht! Ich zahle ihm mehr als mein Vater. Er ist mir treu ergeben.«
Ich warf einen Blick über die Schulter und winkte Micheletto freundlich zu, doch er verzog keine Miene.
Wir gingen am Palazzo des Erzbischofs vorbei und erreichten die Piazza dei Miracoli, den Domplatz von Pisa. Vor uns ragten das Baptisterium, der Dom und der Schiefe Campanile in den tiefblauen Himmel. Die Piazza dei Miracoli war nicht gepflastert, sondern eine blühende Wiese. Ein herrlicher Kontrast zu der weißen Kathedrale! Piazza dei Miracoli – dieses großartige Forum trug seinen Namen zu Recht: Platz der Wunder.
»Das ist es, was ich dir zeigen wollte: den Schiefen Turm von Pisa«, erklärte Cesare, während er zum Campanile deutete.
»Er sieht wirklich aus, als würde er jeden Augenblick umkippen«, bemerkte ich staunend und beschattete die Augen gegen die hoch stehende Sonne. Es war bald Mittag.
»Vielleicht tut er das eines Tages. Einer meiner Professoren behauptet, die Neigung nehme jedes Jahr zu, und eines Tages werde er einstürzen. Wie die Kirche.«
Überrascht wandte ich mich zu ihm um. »Wie die Kirche? Du
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