Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
seine Heldentaten auf den Schlachtfeldern Italiens anzuhören. Ich will etwas tun, Lorenzo!«
»Und was willst du tun, Caterina? Die Banca Medici leiten? Oder Florenz regieren?«, fragte er ernst. War da ein spöttischer Unterton in seiner Stimme? Nein, sicher nicht!
»Ich will studieren. An der Sapienza in Pisa«, sagte ich entschlossen.
»Nein!«, verbot mir Lorenzo. »Unmöglich!«
»Das ist es nicht«, rief ich. »Du finanzierst die Universität. Du hast die Bibliothek zusammentragen lassen, du zahlst die Gehälter der Professoren. Wenn du es wünschst, wird niemand etwas dagegen einwenden können, wenn ich …«
»Nein! Das ist mein letztes Wort in dieser Angelegenheit«, unterbrach er mich. War er zornig? Nein, er war bestürzt über meinen Wunsch.
»Aber …«, protestierte ich. »Ich will etwas tun .«
Bevor Lorenzo antworten konnte, betrat Angelo das Studierzimmer. »Giovanni ist angekommen! Er hat eine ganze Maultierkarawane mit Kisten mitgebracht«, rief er und war schon wieder verschwunden.
»Endlich ist er wieder da!«, freute sich Lorenzo. Er reichte mir seine kalte Hand. »Caterina, hilf mir! Ich muss hinunter in den Hof, um meinen Freund Giovanni Pico zu begrüßen.«
War dies der Schlussstrich unter unserer Diskussion? Das Ende meines Traumes?
Ich half Lorenzo aus seinem Sessel, und er stützte sich auf mich, als wir langsam, Stufe für Stufe, die Treppe zum Hof des Palazzo hinabstiegen. Ich spürte sein Zittern, als er den Arm um meine Schultern legte. Unser Disput hatte ihn erschüttert. Glaubte er denn, dass ich ihn verlassen wollte? Meinem Blick wich er aus.
Der Hof sah aus wie eine orientalische Karawanserei. Dreißig, fünfunddreißig, vierzig Maultiere drängten sich unter den Arkaden. Jedes von ihnen war mit zwei schweren Holzkisten beladen, die seitlich am Packsattel festgeschnallt waren. Die ersten Truhen wurden bereits abgeladen und von Dienern neben der Treppe aufgestapelt.
Angelo wühlte ungeduldig im Stroh einer der Kisten und zog ein dickes Buch hervor, das er so andächtig betrachtete, als sei es eine kostbare Reliquie. Dann zupfte er ein paar Strohhalme zwischen den Pergamentseiten heraus. »Ein Buch von Gerbert d’Aurillac!«, staunte er. »Wo hast du es gefunden, Giovanni?«
»In einem Kloster in Padua«, erwiderte der Mann, der neben ihm kniete, mit beiden Händen Stroh aus der Truhe riss und es auf den Boden warf. Ein Maultier machte sich darüber her.
»Wie hast du den Abt dazu gebracht, es dir zu geben?«
Der Fremde grinste verschmitzt. »Ich habe ihm verschwiegen, wer Gerbert d’Aurillac war. Er hatte keine Ahnung. Mit einem Kompendium der Alchemie konnte er nichts anfangen, und so überließ er es mir für zwanzig Fiorini – weil es so alt und schon halb zerfallen ist. Ein fünfhundert Jahre altes, handgeschriebenes Buch von Papst Silvester II . hätte mich ein Vermögen gekostet …«
Als der Fremde Lorenzos Anwesenheit bemerkte, drehte er sich zu uns um und erhob sich.
Giovanni Pico della Mirandola, der Conte von Concordia, war achtundzwanzig Jahre alt und von einer fast überirdischen Schönheit. Seine sanften Augen hatten die Farbe des Himmels über Florenz, seine goldblonden Locken fielen bis über seine Schultern, sein Körper war schlank und so grazil, als hätte er nie etwas Schwereres mit sich herumgetragen als einen Stapel Bücher – oder die gewichtigen Gedanken in seinem Kopf, die er in den neunhundert Thesen seiner berühmten Conclusiones niedergeschrieben hatte.
Ich war wie verzaubert. Ich stand ein paar Schritte entfernt und starrte ihn an, als befürchtete ich, dass diese wundervolle Erscheinung jeden Augenblick wieder verschwinden könnte, wenn ich den Blick abwandte. Ich war überwältigt von ihm, von seiner Schönheit, von seinem sanften Lächeln, von seiner Ausstrahlung. Auch er sah mich an, unfähig, auch nur ein Wort zu sagen, unfähig, sich von mir abzuwenden. Da war etwas zwischen uns, was ich nicht in Worte fassen konnte: Vielleicht war es Magie! Es war ein endloser, ein unvergesslicher, ein magischer Augenblick voller Gefühle, die keiner von uns in ihrer unermesslichen Tiefe und ihrer fast schmerzhaften Intensität verstand … jetzt noch nicht …
»Salve, Giovanni«, begrüßte Lorenzo seinen Freund. Er hatte den Blickwechsel zwischen uns bemerkt. »Wie schön, dass du endlich wieder da bist!«
Giovanni Pico schwankte, schien aus einem Traum zu erwachen, dann riss er sich von mir los und wandte sich an Lorenzo, umarmte und
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