Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
größter aller Poeten!«, lachte Giovanni. »Dabei brichst du die Herzen der schönen Madonnen, weil du in antiker Tradition junge Männer liebst. Sag mal, hast du eine Affäre mit Michelangelo?«
Angelo seufzte: »Er will mich nicht. Er ist verliebt in seinen Marmor und nur glücklich, wenn sein Meißel Funken sprüht und die Steinsplitter fliegen …«
Angelo zog Giovanni mit sich fort. Während die beiden Freunde sich unterhielten, ging ich zu dem Lesepult hinüber, das Giovanni während der nächsten Wochen für sich reserviert hatte. Diese Werke wollte er lesen! Ob das geheimnisvolle Buch von Bernardus Trevisanus darunter war?
Meine Hand glitt an den Buchrücken entlang, dann fand ich, was ich suchte: ein in schwarzes Leder gebundenes Notizbuch, wie man es bei jedem Papierhändler kaufen kann. Es lag ganz unten im Stapel, und ich zog es unauffällig hervor.
Die Notizen enthielten Skizzen von Laborgeräten, astrologische Zeichen, Tabellen, Diagramme, Formeln und seitenweise kaum leserliche lateinische und italienische Kritzeleien – nachts im flackernden Schein des Feuers hingeworfen. »Die sieben Transmutationen der Seele«, las ich auf einer Seite, auf einer anderen Con-iunctio, die Vereinigung, darunter ungeduldig hingekritzelt das Wort Athanasie, die Unsterblichkeit, und weiter unten auf demselben Blatt: »Verdammt! Ich bin dem Ziel so nah … ich zweifele und verzweifele!«
Auf dem Titelblatt prangte der Name Bernardo, Conte von Treviso, und der Titel seines Werkes. Ich war so erschrocken, dass ich die Handschrift beinahe fallen gelassen hätte. Der apokalyptische Titel lautete Die sieben Siegel der Welt.
Lorenzo aß an diesem Abend, als wäre gerade die Fastenzeit zu Ende gegangen. Er saß neben mir und genoss die zwanzig Gänge des Banketts, als hätte er seit Wochen nichts gegessen. Er hatte ein paar Stunden geschlafen und sah um Jahre jünger aus.
Angeregt unterhielt er sich mit dem Gesandten der Republik Venedig, Signor Giacomo Foscari, der ihm gegenüber an der festlich gedeckten Tafel saß. Piero, der zwischen Lorenzo und dem Bannerträger von Florenz Platz genommen hatte, beteiligte sich an der Diskussion über florentinische Bündnispolitik mit Mailand und Venedig und über das bis an die Lagune gewehte Gerücht meiner Heirat mit dem Conte von Pesaro. Der venezianische Botschafter hatte seine Ankunft in Florenz so lange verschoben und in der Medici-Villa in Poggio a Caiano Lorenzos Gastfreundschaft genossen, bis der verhasste Giovanni Sforza endlich – wie nannte er es? – »endlich die Belagerung des Palazzo Medici aufgegeben hatte«.
Die lange Tafel des Bankettsaals war mit silbernem Geschirr gedeckt. Auf einem goldgestickten Damasttischtuch funkelten geschliffene Weingläser aus dunkelblauem Empoli-Glas und Kristallkaraffen mit gewürztem Wein. Dazwischen prangten durchscheinende Alabastervasen mit Lilien und Lorbeerzweigen.
Die Tafel im Speisesaal war an diesem Abend bis auf den letzten Platz besetzt. Die Gästeliste dieses Banketts zu Ehren des venezianischen Botschafters umfasste die gesamte Nobiltà von Florenz. Lorenzos Freunde von der Platonischen Akademie waren vollzählig erschienen. Neben Angelo und Giovanni saßen der Philosoph Marsilio Ficino, der seit einigen Tagen im Palazzo wohnte, der Poet Luigi Pulci, Cristoforo Landino, Bernardo Rucellai und Gentile Becchi, der Bischof von Arezzo. Ich konnte nicht verstehen, worüber sie so angeregt diskutierten: Sie sprachen Griechisch.
Ein Diener entfernte meinen Teller mit den Resten des vierzehnten Ganges und platzierte schwungvoll ein weiteres Silbergedeck vor mir auf dem Tisch. Ich hatte schon längst keinen Appetit mehr und bestaunte Lorenzo, der sich wie ein Verhungernder auf die gegrillte Fasanenbrust stürzte, sie ungeduldig mit seinem Dolch zerlegte und mit fettigen Fingern in seinen Mund stopfte.
Giovanni, der zwei Plätze neben mir saß, warf Lorenzo einen besorgten Blick zu, doch dann widmete er sich wieder dem Braten auf seinem Teller und seiner Unterhaltung mit Marsilio Ficino. Zwei Maestros der Alchemie – worüber sprachen sie? Über Bernardo da Trevisos geheimnisvolles Buch?
Angelo, berauscht vom Chianti, flirtete hemmungslos mit Michelangelo, dem das sichtlich peinlich war. Er starrte konzentriert auf seinen Teller und bearbeitete den Fasanenbraten mit seinem Dolch wie einen seiner Marmorblöcke.
Niccolò Machiavelli ergriff meine Hand. »Du bist so nachdenklich, Caterina! Darf ich dich nach dem Essen auf
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