Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
Gold herstellen. Aurum potabile ist das sechste der sieben Siegel der Welt – so nannte es Bernardus Trevisanus –, die vorletzte Transmutation der Elemente, deren letzte, vollkommenste Wandlung der Stein der Weisen ist, der Lapis philosophorum, das Elixirium vitae, das geheimnisvolle al-Iksir der arabischen Wissenschaftler. Und im Augenblick ist das Aurum potabile die Grenze meines Wissens «, sagte er ehrlich.
»Meine zweite Frage lautet: Warum darf ich das Buch von Bernardo da Treviso nicht lesen?«
»Weil du es nicht verstehen wirst …«
»Weil ich eine Frau bin?«, fuhr ich auf wie eine Sturmbö, die den Rest seiner Antwort mit sich riss.
Giovanni sah mich überrascht an. »Nein … nein! Nicht deshalb, Caterina! Die Sprache der Alchemisten ist missverständlich, weil sie in Symbolen und nicht in Worten niedergeschrieben ist. Ein Maestro der Alchemie wie Trevisanus, der das al-Iksir gefunden hat, wird seine Notizen so verschlüsseln, dass jemand, der seine Sprache nicht kennt, Fehler macht. Tödliche Fehler.«
»Woher weißt du, dass er das al-Iksir gefunden hat? Hat er es dir gesagt?«
Giovanni schüttelte langsam den Kopf. Er schien zu überlegen, wie viel er mir sagen durfte, um meine Frage zufrieden stellend zu beantworten, und wie wenig, um nicht hundert weitere Fragen heraufzubeschwören. Doch dann hatte er sich entschieden – ich sah es daran, wie er einen Augenblick amüsiert die Lippen verzog – und er antwortete: »Maestro Bernardo starb letztes Jahr.« Giovannis Augen funkelten im Schein der Kerze, und er sah mich an, als wollte er fragen: Was willst du als Nächstes wissen?
Ich tat ihm den Gefallen und fragte: »Wenn er tot ist, woher weißt du dann, dass er den Stein der Weisen gefunden hat?«
»Meine Nachforschungen ergaben, dass Bernardo 1406 in Padua geboren wurde. Er war also vierundachtzig Jahre alt, als er verschwand …«
»Er verschwand? Du hast doch gerade gesagt, dass er letztes Jahr starb«, wandte ich ein.
»Sein Laboratorium explodierte. Seine Leiche verbrannte zu Asche. Das jedenfalls stand im Untersuchungsbericht der venezianischen Behörden.«
»Und was glaubst du?«, fragte ich gespannt.
»Ich glaube, dass Trevisanus das al-Iksir gefunden hat. Ich habe die Ruinen seines Laboratoriums untersucht.« Giovanni griff in die Tasche seines Faltenmantels und zog eine kleine Glasflasche hervor, die kaum größer war als einer meiner Finger. »Das hier ist nicht die Asche eines Menschen.«
Er zog den Korken heraus und ließ mir ein paar Staubkörner in die Hand rinnen, die ich im Schein der Kerze betrachtete. Nein, wie die Asche eines Menschen sah es wirklich nicht aus. Der feine Staub schimmerte in allen Farben des Lebens.
Giovanni ergriff meine offene Hand, zog sie sanft an seine geöffneten Lippen und blies den feinen Staub in die Luft. Ein Feuerwerk aus bunt schillernden Lichtfunken – ein Traum in Purpurrot, Kobaltblau und Indischgelb – wehte durch den Raum und schneite leise zu Boden. Ein zauberhafter Anblick!
»Wenn es keine menschlichen Überreste sind, was ist es dann?«, fragte ich fasziniert und ein wenig erregt von der Berührung seiner Hand.
»Asche aus einem Alambic, einem alchemistischen Glaskolben, der im Feuer erhitzt wird, um Substanzen zu tingieren – also um Tinkturen herzustellen. Die Explosion des Laboratoriums ist das sicherste Indiz dafür, dass der Adept versucht, das siebte Siegel der Welt zu entschlüsseln: die Fusion der Elemente. Entweder der Alchemist stirbt bei dieser gewaltigen Explosion – oder er verschwindet spurlos und täuscht seinen Tod vor, um sein Leben in Ruhe genießen zu können, denn das Große Werk ist vollbracht.«
»Ja, aber …«, begann ich, die Worte schneller als die Gedanken: »… die Asche und das Buch …«
»Dieser Staub und Bernardos Notizbuch sind der beste Beweis, dass er noch lebt. Seine Notizen sind sorgfältig aufgezeichnet – bis zu dem Zeitpunkt, als er die Flamme des Athanors, seines Alchemistenfeuers, für die letzte Transmutation entzündete. Wenn ihn die Explosion, die sein Laboratorium zerstörte, überrascht hätte, wäre das Notizbuch, das während des Experimentes neben den Laborgeräten gelegen haben muss, verbrannt. Aber es existiert noch! Das bedeutet, dass er es in Sicherheit gebracht hatte, um es später, nach der Explosion, mitzunehmen. Ich fand es in den Ruinen seines Hauses.«
»Aber … warum ist er nie zurückgekommen und hat es geholt?«, fragte ich zweifelnd.
»Weil er Erfolg
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