Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
andere Gedanken bringen? Versprich mir einen Tanz!«
»Niccolò, ich …«
»Entscheide dich, Caterina! Er oder ich.« Niccolò verzog den Mund und deutete mit seinem Dolch auf den Botschafter der Serenissima.
Giacomo Foscari, ein wohlbeleibter, gut gelaunter Mann in den besten Jahren, warf mir ein strahlendes Lächeln zu. Er hatte mir durch seinen Sekretär bereits mitteilen lassen, dass er sich auf den ersten Tanz mit mir freute. Keine Frage, keine Bitte – eine Forderung war das! Aber noch mehr als über den selbstgefälligen Botschafter hatte ich mich über Pieros Gemahlin Alfonsina geärgert. Ihrer Meinung nach stand der erste Tanz mit Giacomo Foscari allein der Prima donna von Florenz zu. Sie hatte ihren Gemahl Piero an die Front geschickt, um mich auf den mir zustehenden Platz zu verweisen. Meine Auseinandersetzung mit Piero in Lorenzos Studierzimmer war kurz und heftig gewesen.
»Da muss ich nicht lange nachdenken, Niccolò«, lächelte ich und ließ meinen Freund im Unklaren, für wen von beiden ich mich entschieden hatte.
Während des sechzehnten und siebzehnten Ganges schwieg ich. Meine Gedanken irrten immer wieder zu dem geheimnisvollen Buch in der Bibliothek: Bernardo da Trevisos Die sieben Siegel der Welt. Giovanni hatte mir das Buch aus der Hand gerissen, als er merkte, dass ich darin blätterte. »Das ist nichts für dich, Caterina!«, hatte er gesagt. »Du wirst es nicht verstehen!« Aber wenn ich Trevisanus’ Geheimnisse ohnehin nicht entschlüsseln konnte, obwohl die Notizen in verständlichem Italienisch und Latein verfasst waren, warum musste Giovanni es mir wegnehmen?
»Die Wahrheit ist ein scharfes Schwert – sie schützt und stärkt den, der die Klinge zu führen weiß, aber sie verletzt den, der ungeschickt mit ihr hantiert«, hatte er meinen Protest niedergeredet. Aber anstatt mir erschrocken über meine Unerschrockenheit und entgeistert über meine Begeisterung das Schwert aus der Hand zu nehmen, sollte er mich lieber den schlagkräftigen Umgang mit der Wahrheit lehren!
Während des achtzehnten Ganges – Hühnchen in einer köstlichen süßsauren Kapernsauce – und einer euphorischen Rede des Botschafters Foscari, der Florenz als neues Athen und Il Magnifico als zweiten Perikles rühmte, beschloss ich, bei nächster Gelegenheit die Feier zu verlassen, um in die Bibliothek zu verschwinden. Ich wollte in diesem geheimnisvollen Buch von Trevisanus blättern. Vielleicht fand ich einen Hinweis auf die Glasphiole mit der goldenen Flüssigkeit …
Endlich war das Bankett beendet, die Teller abgeräumt, die Weinbecher gefüllt! Die Musiker, die bisher getragene Stücke von Guillaume Dufay gespielt hatten, um die Unterhaltung bei Tisch nicht zu stören, stimmten nun einen fröhlichen Saltarello an.
Viele der Gäste erhoben sich, um zu tanzen. Bevor ich unauffällig den Speisesaal verlassen konnte, hielt Niccolò mich auf und führte mich zur Tanzfläche. Glücklicherweise hatte Cesare mir die Schritte des Saltarello beigebracht – wir hatten während meines Aufenthalts in Pisa nie etwas anderes getanzt.
Niccolò und ich wirbelten ausgelassen durch den Saal, als sich uns der Sekretär des Botschafters in den Weg stellte. Mit den Worten »Wenn Ihr erlaubt, Signorina …« ergriff er meine Hand und schleppte mich durch die Reihen der Tanzenden zu Giacomo Foscari, der am Rand der Tanzfläche auf mich wartete. Er gönnte mir ein wohl dosiertes Lächeln – ein nachsichtiges Schmunzeln über meine offensichtliche Unkenntnis höfischer Etikette, wie
ich zornig feststellte – und führte mich schwungvoll durch den Saal.
Alfonsina, die offensichtlich erwartet hatte, dass der Gesandte sie zum ersten Tanz bitten würde, stand mit geballten Fäusten am Fenster. Piero, der sich sonst nicht einmal für die Wünsche seiner Gemahlin interessierte, wenn er zu ihr ins Bett kroch, funkelte mich zornig an. Eine erneute Auseinandersetzung mit ihm schien unvermeidlich.
Ich war erstaunt, als plötzlich Lorenzo neben uns auftauchte. Er führte Lucrezia Donati mit formvollendeten Tanzschritten durch den Saal. Lorenzo, der sich noch vor wenigen Stunden auf mich stützen musste, um Giovanni im Hof begrüßen zu können, tanzte! Und er flirtete ungeniert mit Lucrezia Donati, der schönsten Madonna von Florenz – seiner Geliebten Lucrezia, von der er sich vor wenigen Jahren getrennt hatte!
Giovanni hatte gesagt, Lorenzo würde sich fühlen wie der wiedergeborene Herakles. Ich fragte mich, ob Herakles ein so
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