Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
Befriedigung, die ich aus diesem Verdikt zog, war, dass irgendjemand wohl endlich einmal alle Thesen gelesen haben musste. Ich wurde dazu verurteilt, der öffentlichen Verbrennung aller Exemplare der Conclusiones auf der Piazza San Pietro zuzusehen. Das war demütigend! Fast ein Jahr war ich in Rom gewesen, um meine Disputation vorzubereiten, und am Ende – ein lodernder Scheiterhaufen!«
Giovanni spielte mit der Schreibfeder, als wäre er versucht, seine Geschichte neu zu schreiben. Schließlich steckte er die Feder ins Tintenfass und lehnte sich mit verschränkten Armen auf seinem Sitz zurück:
»Ich verließ Rom im November 1487, kurz vor der Veröffentlichung der päpstlichen Bulle, die meine Thesen verdammte. Ich wollte zurück an die Sorbonne und mich dem Studium der Alchemie widmen. Noch bevor ich im Januar 1488 in Lyon ankam, waren die neunhundert Thesen ohne mein Wissen und ohne meine Erlaubnis in Ingolstadt gedruckt worden. Papst Innozenz musste reagieren, erklärte mich zum Häretiker und ließ mich festnehmen und in Vincennes einkerkern.
Aber es fand kein weiterer Inquisitionsprozess gegen mich statt – und so protestierten der Erzbischof von Paris und die Professoren der Sorbonne gegen meine Inhaftierung, und die Sforza in Mailand, die d’Este in Ferrara und Lorenzo il Magnifico erhoben laut ihre Stimmen. Ich wurde freigelassen, durfte Frankreich verlassen und nach Florenz zurückkehren. Der Kirchenbann wurde jedoch nicht aufgehoben.« Giovanni schwieg eine Weile und beobachtete mich.
»Wirst du irgendwann in die Kirche zurückkehren können? Fra Girolamo ist dein Freund. Wenn er …«
»Nicht, solange Papst Innozenz, dieser verdammte Kreuzritter, lebt. Seine Pläne zur Rückeroberung des Heiligen Landes sind gescheitert, aber er wird niemals zulassen, dass ein Kirchentribunal gegen seine heiß geliebte Hexenbulle verstößt. Wenn schon nicht die Ungläubigen in Jerusalem auf dem Scheiterhaufen brennen, dann doch wenigstens ein paar Häretiker in Rom! Du willst also einem Ketzer, einem Ungläubigen, einem von der Kirche Gebannten assistieren, wenn er das Opus Diaboli, das Werk des Satans, vollbringt?«, fragte Giovanni mit einem bitteren Unterton.
Wieso brachte er selbst das Gespräch zurück auf diese Frage? Erwartete er allen Ernstes ein Nein von mir?
Ich hatte vom Malleus Maleficarum gehört, dem Hexenhammer, den zwei deutsche Mönche, Jakob Sprenger und Heinrich Institoris, Papst Innozenz vorgelegt hatten. Die Schrift war das Grausamste und Niederträchtigste, was ein Mensch sich ausdenken kann! Niccolò hatte mir erzählt, dass der Malleus Maleficarum verfasst worden war, um Menschen zu verfolgen, zu quälen und zum Schweigen zu bringen. Das Gesetz lautete: Der Leib muss brennen, auf dass die Seele gerettet werde! Weise Frauen, die bei Vollmond unterwegs waren, um Heilkräuter zu suchen, wurden ebenso verfolgt wie Humanisten, die sich nicht den Lehren der Kirche unterwarfen, oder getaufte Juden, die angeblich ihrer alten Religion anhingen … und Alchemisten, die in dem Ruf standen, Magier zu sein und einen Pakt mit Satan abgeschlossen zu haben. Nur das Gerücht, dass sie aus unedlen Metallen Gold herstellen konnten, bewahrte die meisten vor dem Scheiterhaufen …
»Das Opus Diaboli? «, lachte ich. »Nein, Giovanni! Ich habe nicht vor, Satansmessen mit dir zu zelebrieren! Ich will dem größten Gelehrten unserer Zeit helfen, das Aurum potabile herzustellen, das Lorenzo retten kann.«
»Retten? Das Mittel kann ihn nicht retten «, sagte Giovanni leise.
Ungläubig starrte ich ihn an. Aber Lorenzo hatte ausgelassen getanzt und war so lebenslustig! »Ich dachte … Wie lange wirkt das Aurum potabile ?«, stotterte ich.
»Zwei, vielleicht drei Wochen«, erklärte Giovanni ernst.
»Und dann?«, flüsterte ich tonlos.
»Dann kehren die Schmerzen zurück, und er braucht mehr.«
»Und …?«
»… dann braucht er noch mehr«, ergänzte Giovanni. »Und eines Tages nimmt er zu viel.«
»Aber wo ist dann der Unterschied zwischen Opium und dem Aurum potabile, wenn Lorenzo am Ende daran stirbt?«, fragte ich.
»Er bleibt bei klarem Verstand und kann jeden Augenblick seines Lebens genießen, Caterina. Seinen Tod kann das Aurum potabile nicht aufhalten. Nur das Elixirium vitae könnte das.«
»Wann …?«, fragte ich schwach.
Es tat mir so Leid um Lorenzo!
»In ein paar Monaten«, erwiderte Giovanni traurig. »Deshalb muss ich so schnell wie möglich das al-Iksir finden.«
Entsetzen war
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