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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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Infolge der großen Hitze, die herrschte, und in seiner Aufregung war Fabrizzio durch und durch naß, als ob er in den Po gefallen wäre. ›Komödianten gegenüber fehlt es mir nicht an Mut. Kleine Beamte aber mit Krawattennadeln aus Kupfer bringen mich außer Fassung. Diese Wahrnehmung werde ich zu einem Spottgedicht für die Duchezza verwenden.‹
    Nach den ersten Häusern von Casalmaggiore bog Fabrizzio rechts in eine üble Gasse ein, die nach dem Po hinabführte. ›Ich spüre Verlangen nach der Hilfe von Bacchus und Ceres‹, sagte er sich und trat in eine kleine Kneipe ein, über der ein kleiner grauer Lappen an einer Stange hing; das Wort Trattoria stand darauf. Ein grobes Leinentuch,das über zwei dünne hölzerne Reifen gespannt war und bis drei Fuß über dem Boden hinabhing, schützte die Tür vor den senkrechten Sonnenstrahlen. Drinnen empfing eine halbnackte und recht hübsche Frau unseren Helden sehr ehrerbietig, was ihn höchlich belustigte. Er beeilte sich, ihr zu sagen, er käme vor Hunger um.
    Während die Frau das Frühstück zurecht machte, kam ein Mann von ungefähr dreißig Jahren herein. Ohne zu grüßen, nahm er Platz. Mit einem Male erhob er sich wieder von der Bank, auf die er sich hingelümmelt hatte, und sagte zu Fabrizzio: »Eccellenza, la riverisco! « (Guten Tag, Exzellenz!)
    Fabrizzio war gerade in heiterster Laune, und statt sich finstere Gedanken zu machen, antwortete er lachend: »Zum Teufel, woher weißt du, daß ich eine Eccellenza bin?«
    »Wie, Eccellenza kennen Ludovico nicht mehr, den früheren Kutscher der Frau Duchezza Sanseverina? In Sacca, auf dem Landgut, wohin es alle Jahre ging, bekam ich jedesmal das Fieber. Ich bat die gnädige Frau um Entlassung und ging in den Ruhestand. Ich bin hier reich. Statt der Pension von zwölf Talern im Jahre, auf die ich höchstens Anspruch hatte, hat mir die gnädige Frau vierundzwanzig Taler ausgesetzt, damit ich Muße hätte, Sonette zu machen, wie sie mir sagte; ich bin nämlich Volksdichter. Und der Herr Graf hat mir gesagt, wenn es mir mal schlecht ginge, solle ich nur zu ihm kommen und es sagen. Ich hatte die Ehre, Monsignore eine Strecke Weges zu fahren, als Monsignore, wie es einem guten Christen geziemt, sein Retiro [In Italien herrscht noch heutigentags unter Weltgeistlichen und auch unter vornehmen Laien die Sitte, daß man sich dann und wann auf bestimmte Zeit in die Klosterzucht zurückzieht, gleichsam als selbst auferlegte Buße für seine Sünden. Das nennt man Retiro. (Stendhal.)] in der Kartause von Velleia abhielt.«
    Fabrizzio sah sich den Mann genauer an und erkannte ihn halbwegs wieder. Er war einer der schmucksten Kutscher der Casa Sanseverina gewesen. Jetzt, da er reich war, wie er sagte, bestand seine ganze Kleidung aus einem groben, zerrissenen Hemd und einer ehedem schwarz gewesenen Kattunhose, die ihm kaum bis an die Kniee reichte.
    Ein Paar Schuhe und ein schäbiger Hut vervollständigten den Anzug. Dazu hatte er sich seit vierzehn Tagen nicht rasieren lassen.
    Während Fabrizzio seinen Eierkuchen verzehrte, unterhielt er sich mit Ludovico ganz wie mit seinesgleichen. Es kam ihm vor, als wäre Ludovico der Schatz der Wirtin. Er beendete sein Frühstück hastig und flüsterte dann Ludovico zu: »Ich habe dir ein Wort zu sagen!«
    »Eccellenza können vor der da getrost reden. Das ist ein kreuzbraves Weib!« sagte Ludovico zärtlich.
    »Nun gut, meine Freunde,« entgegnete Fabrizzio ohne Zögern, »ich bin in Not und bedarf eurer Hilfe! Zunächst: Politisches ist nichts dabei. Ich habe ganz einfach einen Mann erstochen, der mich ermorden wollte, weil ich mit seiner Liebsten geredet habe.«
    »Armer junger Mann!« sagte die Wirtsfrau.
    »Eccellenza können auf mich rechnen!« rief der Kutscher laut, und seine Augen flammten vor leidenschaftlicher Treue. »Wohin wollen Eccellenza?«
    »Nach Ferrara. Ich habe einen Paß; aber am liebsten möchte ich mit keinem Gendarmen zu tun haben. Die könnten von dem Vorfall schon Kenntnis haben.«
    »Wann haben Sie den anderen ins Jenseits befördert?«
    »Heute früh um sechs.«
    »Haben Eccellenza gar keine Blutflecke an den Kleidern?«
    »Daran habe ich auch schon gedacht,« meinte der Kutscher, »und überdies ist der Stoff dieser Kleider viel zu fein. So etwas kriegt man in hiesiger Gegend selten zu sehen. Das fällt auf. Ich will beim Juden einen Anzug kaufen. Eccellenza haben ungefähr meine Gestalt, ein klein wenig schmächtiger.«
    »Bitte, nennt mich nicht mehr

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