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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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überhaupt einer aufzutreiben ist. Sonst gehen wir, sobald Sie sich ein wenig erholt haben, noch zwei Stündchen weiter, und ich geleite Sie zu einer Mühle, wo ich mir einen Kahn beschaffen werde. – Eccellenza sind viel klüger als ich. Aber die gnädige Frau wird außer sich sein, wenn sie von dem Unfall erfährt. Man wird ihr berichten, Sie seien zu Tode verwundet, vielleicht gar, Sie hätten den anderen meuchlings ermordet. Die Marchesa Raversi wird sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, allerlei böse Gerüchte in Umlauf zu setzen, um die gnädige Frau zu ärgern. Eccellenza könnten einen Brief schreiben.«
    »Aber wie soll der Brief hinkommen?«
    »Die Burschen von der Mühle, zu der wir wollen, verdienen am Tag zwölf Soldi. In anderthalb Tagen ist einer in Parma. Also vier Lire für den Weg, zwei Lire für die Abnutzung der Stiefel. Wenn der Gang für einen armen Kerl wie mich wäre, so kostete er sechs Lire; da er für einen hohen Herrn ist, werde ich zwölf geben.«
    Als sie an dem überaus schattigen und kühlen Rastort, einem Gebüsch von Erlen und Weiden, angelangt waren, ging Ludovico mehr als eine Stunde weit, um Tinte und Feder aufzutreiben.
    »Großer Gott,« rief Fabrizzio aus, »wie wohl ist mir hier! Glück, fahr wohl! Ich werde nimmermehr Erzbischof!«
    Als Ludovico wiederkam, fand er ihn in tiefem Schlummer und wollte ihn nicht wecken. Der Kahn traf erst gegen Sonnenuntergang ein. Sobald ihn Ludovico in der Ferne auftauchen sah, rief er Fabrizzio. Der Erwachte schrieb zwei Briefe.
    »Eccellenza sind viel klüger als ich,« sagte Ludovico verlegen, »und ich fürchte sehr, Ihnen im Grunde des Herzens zu mißfallen, wenn ich trotz alledem auch etwas sage.«
    »Ich bin nicht so albern, wie Sie denken,« entgegnete Fabrizzio, »und was Sie auch sagen mögen, Sie werden in meinen Augen immer ein treuer Diener meiner Tante sein und ein Mann, der alles mögliche getan hat, um mich aus einer recht schlimmen Geschichte herauszuziehen.«
    Es bedurfte noch vieler anderer Beteuerungen, um Ludovico zum Sprechen zu bringen, und als er sich endlich dazu entschlossen hatte, begann er mit einer Vorrede, die reichlich fünf Minuten dauerte. Fabrizzio ward ungeduldig; dann sagte er sich: ›Was ist schuld daran? Unsere Eitelkeit, die dieser Mann von der Höhe seines Kutscherbockes herab sehr wohl beobachtet hat.‹
    Schließlich bewog Ludovico seine Ergebenheit zu dem Wagnis, frei von der Leber weg zu reden: »Wieviel würde die Marchesa Raversi nicht dem Boten geben, den Sie nach Parma senden wollen, um die beiden Briefe in die Hand zu bekommen! Sie tragen Ihre Handschrift und sind infolgedessen rechtsgültige Beweise gegen Sie. Eccellenza werden mich für neugierig und aufdringlich halten. Vielleicht schämen Sie sich auch, den Augen der Frau Herzogin meine armselige Kutscherhandschrift zu unterbreiten; aber schließlich öffnet mir die Sorge um Ihre Sicherheit den Mund, wenn Sie auch glauben könnten, ich sei unverschämt. Wollen mir Eccellenza die beiden Briefe nicht diktieren ? Dann bin ich allein bloßgestellt und könnte schlimmstenfalls aussagen, Sie seien mir mitten auf einem Feld begegnet, ein Taschenschreibzeugin der einen, eine Pistole in der anderen Hand, und hätten mir befohlen, zu schreiben.«
    »Gib mir die Hand, mein lieber Ludovico!« rief Fabrizzio aus. »Und um dir zu beweisen, daß ich nicht das geringste Geheimnis vor einem Freunde wie dir haben will, hier, schreib die Briefe ab, so, wie sie sind!«
    Ludovico begriff die Tragweite solchen Vertrauens völlig und war dafür außerordentlich empfänglich. Aber nach ein paar Zeilen, als er sah, wie flott sich der Kahn auf dem Fluß näherte, sagte er zu Fabrizzio: »Die Briefe würden eher fertig, wenn sich Eccellenza die Mühe nehmen wollten, sie mir zu diktieren.«
    Als die Briefe fertig waren, setzte Fabrizzio ein A und ein B unter beide und kritzelte auf einen kleinen Papierstreifen, den er dann zusammenknüllte, auf französisch: ›Glaube A und B!‹ Der Bote sollte dieses zusammengeknüllte Stück Papier in seinen Kleidern verstecken.
    Als der Kahn in Hörweite gekommen war, rief Ludovico die Schiffer mit Namen an, die nicht die ihren waren. Sie antworteten gar nicht, legten fünfhundert Schritt weiter stromab an und spähten nach allen Seiten aus, ob sie auch nicht von irgendeinem Zollwächter beobachtet würden.
    »Ich stehe Ihnen zur Verfügung«, sagte Ludovico zu Fabrizzio. »Wollen Sie, daß ich die Briefe selber nach Parma

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