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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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Eccellenza! Es könnte auffallen.«
    »Zu Befehl, Eccellenza!« erwiderte der Kutscher und verließ die Kneipe.
    »Hehe,« rief ihm Fabrizzio nach, »das Geld! Komm noch mal rein!«
    »Wieso Geld?« sagte die Wirtsfrau. »Er besitzt siebenundsechzig Taler, die zu Ihrer Verfügung stehen. Ich selber,« fügte sie mit verhaltener Stimme hinzu, »ich habe Stücker vierzig Taler, die ich Ihnen herzlich gern anbiete. Man hat gewöhnlich kein Geld bei sich, wenn einem derlei zustößt.«
    Fabrizzio hatte beim Eintritt in die Trattoria wegen der Hitze seinen Rock ausgezogen.
    »Sie tragen da eine Weste, die uns Unannehmlichkeiten machen könnte, wenn irgend jemand käme. Der schöne englische Pikee würde auffallen.«
    Sie holte unserem Flüchtling eine schwarze Kattunweste, die ihrem Mann gehörte. Ein großer junger Mensch kam durch eine Hintertür in die Kneipe; er war mit einer gewissen Vornehmheit gekleidet.
    »Das ist mein Mann!« erklärte die Wirtin. »Du, Pietr' Antonio,« sagte sie zu ihrem Gatten, »der Herr ist ein Freund von Ludovico. Ihm ist heute früh ein Unglück zugestoßen, drüben auf dem anderen Ufer. Er möchte nach Ferrara flüchten.«
    »Schön! Wir werden ihn hinüberschaffen«, sagte der Mann äußerst höflich. »Wir nehmen Carlo Giuseppes Kahn.«
    Eine neue Schwäche unseres Helden, die wir ebenso freimütig bekennen wollen, wie wir seine Angst in der Polizeiwache an der Brücke erzählt haben, trieb ihm die Tränen in die Augen. Die grenzenlose Ergebenheit, die ihm diese Leute erwiesen, rührte ihn tief. Dabei fiel ihm die Güte seiner Tante ein. Er hätte diese Leute gern glücklich gemacht.
    Ludovico kam mit einem Bündel zurück.
    »Weg mit dem alten Adam!« sagte der Wirt zu Fabrizzio im Ton gemütlicher Freundschaft.
    »Das ist jetzt nicht die Hauptsache«, erwiderte Ludovico mit erregter Stimme. »Man redet bereits von Ihnen. Man hat beobachtet, wie scheu Sie in unser Gäßchen eingebogen sind und die Hauptstraße verlassen haben gleich einem, der sich verdrücken will.«
    »Gehen Sie schnell in die Oberstube hinauf!« sagte der Wirt.
    Diese sehr große und sehr nette Stube hatte statt der Glasscheiben graue Leinwand vor den Fenstern. Vier Betten standen darin, jedes sechs Fuß breit und fünf lang.
    »Nur schnell, nur schnell!« rief Ludovico. »Seit kurzem ist ein Laffe von Grenzer hier, der möchte mit der hübschen Frau da unten anbändeln. Ich habe ihm schon prophezeit, daß ihm auf der Landstraße leicht mal eine Flintenkugel in die Quere kommen könnte. Wenn dieser Schuft von Eurer Exzellenz reden hört, könnte er uns einen Streich spielen und Sie hier verhaften wollen, um die Trattoria der Theodolinda in Verruf zu bringen... Zum Teufel!« unterbrach sich Ludovico, als er Fabrizzios über und über mit Blut besudeltes Hemd und seine mit Taschentüchern verbundenen Wunden bemerkte. »Das Schwein hat sich also zur Wehr gesetzt? Das wäre hundertmal Anlaß zur Verhaftung! Ein Hemd habe ich nicht mitgebracht.«
    Ohne Umstände öffnete er den Schrank des Wirtes und gab Fabrizzio eines von dessen Hemden. Der verwandelte sich alsbald in einen reichen Bauern. Ludovico nahm ein Netz, das an der Wand hing, steckte Fabrizzios Kleider in den Fischkorb, eilte dann hinunter und verließ das Haus schleunigst durch eine Hintertür. Fabrizzio folgte ihm.
    »Theodolinda,« rief er im Vorbeigehen in die Gaststube hinein, »versteck den Kram oben! Wir werden an den Weiden warten! Du, Pietr' Antonio, schaff uns schnell einen Kahn! Er wird gut bezahlt!«
    Ludovico führte Fabrizzio über mehr als zwanzig Gräben. Über den breiteren lagen sehr lange, schwippende Bretter, die als Brücken dienten. Sobald man hinüber war, zog Ludovico diese Bretter zurück. Nach dem letzten Wassergraben sagte er: »Jetzt wollen wir verschnaufen! – Dieser Hund von einem Grenzer liefe meilenweit, wenn er Eure Exzellenz erwischen könnte. – Sie sehenrecht blaß aus. Ich habe das Schnapsfläschchen nicht vergessen.«
    »Das kommt mir sehr gelegen. Die Wunde im Schenkel fängt an, sich bemerkbar zu machen. Übrigens habe ich in der Teufelsbude an der Brücke eine Mordsangst ausgestanden.«
    »Das glaube ich gern,« meinte Ludovico, »mit einem Hemd voller Blut wie das Ihre! Ich begreife nur nicht, wie Sie gewagt haben, da hineinzugehen. Was die Wunden betrifft, so verstehe ich mich darauf. Ich werde Sie an einen recht kühlen Platz bringen, wo Sie eine Stunde schlafen können. Der Kahn wird uns dort abholen, wenn

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