Die Kartause von Parma
Peppo, der Befehl hatte, um ihn zu bleiben, sah, wie zufrieden er mit Ludovico war, und zog es vor, der Duchezza so gute Nachrichten persönlich zu bringen. Fabrizzio schrieb zwei ellenlange Briefe an die beiden Menschen, die ihm teuer waren; dann hatte er den Einfall, einen dritten an den hochwürdigen Erzbischof Landriani zu schreiben. Dieser Brief hatte eine wunderbare Wirkung. Er enthielt einen ziemlich genauen Bericht seines Kampfes mit Giletti. Der treffliche Erzbischof war ganz gerührt und verfehlte nicht, den Brief dem Fürsten vorzulesen, der ihn mit Behagen anhörte, da er reichlich neugierig war, zu erfahren, wie dieser junge Monsignore es wohl anfinge, einen so abscheulichen Totschlag zu beschönigen. Dank den zahlreichen Freunden der Raversi war der Fürst und nicht minder die ganze Stadt Parma der Meinung, Fabrizzio habe mit Hilfe von zwanzig bis dreißig Bauern einen elenden Komödianten umgebracht, weil dieser die Frechheit gehabt hatte, ihm die kleine Marietta streitig zu machen. An Despotenhöfen verfügt der erste geschickte Ränkeschmied über die Wahrheit wie in Paris die Mode.
»Aber zum Teufel,« sagte der Fürst zum Erzbischof, »dergleichen läßt man doch durch andere abmachen! Selbst Hand anlegen ist nicht Brauch. Und dann bringt man einen solchen Komödianten wie Giletti nicht um; man erkauft ihn.«
Fabrizzio hatte keine Ahnung von dem, was in Parma vorging. In der Tat handelte es sich um die Frage: Wird der Tod dieses Komödianten, der zu Lebzeiten zweiunddreißig Lire im Monat verdient hat, den Sturz des konservativen Ministeriums und seines obersten Leiters, des Grafen Mosca, nach sich ziehen?
Als Serenissimus den Tod Gilettis erfuhr, hatte er, aufgebrachtüber das herrische Gebaren der Duchezza, dem Großfiskal Rassi Befehl erteilt, den ganzen Prozeß so zu führen, als handle es sich um einen Liberalen. Fabrizzio dagegen glaubte, ein Mann seines Ranges stehe jenseits der Gesetze; er zog nicht in Betracht, daß in Ländern, wo Träger großer Namen niemals bestraft werden, die Intrige alles vermag, selbst gegen sie. Des öfteren sprach er mit Ludovico von seiner völligen Schuldlosigkeit, die sehr bald offenbar werden müsse. Sein Hauptbeweis war, daß er nicht schuldig sei. Darauf sagte Ludovico eines Tages zu ihm: »Ich begreife nicht, daß Eure Exzellenz bei aller Klugheit und Gelehrsamkeit sich die Mühe nimmt, solche Dinge mir zu sagen, mir, der ich Ihr untertäniger Diener bin. Eccellenza gebrauchen allzuviel Vorsicht. Derlei ist in der Öffentlichkeit oder vor Gericht angebracht.«
›Dieser Mensch hält mich für einen Mörder‹, sagte sich Fabrizzio, ›und liebt mich trotzdem.‹ Er war wie aus den Wolken gefallen.
Drei Tage nach Peppos Abreise empfing er zu seinem höchsten Erstaunen ein Riesenschreiben, das mit einer Seidenschnur umschlungen war wie zu Ludwigs XIV. Zeiten und die Aufschrift trug: ›Seiner Exzellenz, Hochwürden, Monsignore Fabrizzio del Dongo, Erstem Großvikar der Diözese von Parma, Kanonikus etc.‹
›Bin ich denn das alles noch?‹ sagte er sich lachend.
Dieses Schreiben des Erzbischofs Landriani war ein Meisterstück von Logik und Klarheit. Es enthielt auf nicht weniger als neunzehn Quartseiten einen ganz genauen Bericht über alles, was sich seit Gilettis Tode in Parma zugetragen hatte.
›Das Anrücken einer französischen Armee unter dem Befehl des Marschalls Ney‹, schrieb der gute Erzbischof, ›hätte nicht mehr Aufsehen erregen können. Mit Ausnahme der Duchezza und mir, mein lieber Sohn, glaubt jedermann, Sie hätten sich den Spaß gemacht, den Histrionen Giletti zu ermorden. Wäre Ihnen dieses Unglückzugestoßen, so ließe sich das mit zweihundert Louis und einer sechsmonatigen Abwesenheit in Vergessenheit bringen. Aber die Raversi will den Grafen Mosca mit Hilfe dieses Vorfalls stürzen. Es ist keineswegs die abscheuliche Sünde des Mordes, was die öffentliche Meinung Ihnen vorwirft, sondern allein die Ungeschicklichkeit oder, besser gesagt, die Dreistigkeit, die Sache nicht lieber einem Bulo, einem gedungenen Mörder, übertragen zu haben. Ich teile Ihnen in klaren Worten die Redereien mit, die überall im Schwange sind, denn seit dem bedauerlichen Unglück habe ich Tag für Tag in drei der angesehensten Häuser Besuche gemacht, um Gelegenheit zu finden, Sie zu rechtfertigen. Und wohl nie habe ich einen heiligeren Gebrauch von der geringen Beredsamkeit gemacht, die mir der Himmel zu verleihen die Gnade gehabt hat.‹
Wie
Weitere Kostenlose Bücher