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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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vernichtete sie augenblicklich.
    Zwanzigmal unterbrach sich Fabrizzio beim Lesen; Regungen innigster Dankbarkeit durchfluteten ihn. Ohne Verzug antwortete er mit einem acht Seiten langen Brief. Oft mußte er sich aufrichten, damit seine Tränen nichtauf das Papier tropften. Am anderen Morgen, als er eben den Brief siegeln wollte, fand er den Stil zu weltlich. ›Ich werde in lateinischer Sprache schreiben‹, sagte er sich. ›Das wird dem ehrwürdigen Erzbischof schicklicher erscheinen.‹ Als er aber nach recht schönen und fein gedrechselten lateinischen Redensarten in ciceronianischem Stil suchte, fiel ihm ein, daß der Erzbischof im Gespräch einmal Napoleon absichtlich Bonaparte genannt hatte; und im Nu war all die Rührung verschwunden, die ihn am Tage zuvor bis zu Tränen ergriffen hatte. »O König von Italien,« rief er aus, »die Treue, die dir bei Lebzeiten so viele andere gelobt haben, ich will sie dir nach deinem Tode halten! Der Erzbischof liebt mich, zweifellos aber, weil ich ein del Dongo bin und er der Sohn eines Spießbürgers ist.« Damit sein schöner italienischer Brief keine verlorene Sache sei, brachte er einige nötige Änderungen darin an und sandte ihn an den Grafen Mosca ab.
    Am selben Tage begegnete Fabrizzio auf der Straße der kleinen Marietta. Sie wurde rot vor Glück und gab ihm ein Zeichen, ihr stumm zu folgen. Rasch lief sie in einen einsamen Säulengang. Dort zog sie den schwarzen Spitzenschleier, den sie nach landesüblicher Mode um den Kopf trug, noch dichter zusammen, so daß man sie nicht erkennen konnte. Dann wandte sie sich flink um.
    »Wie kommt es,« sagte sie zu Fabrizzio, »daß Sie so frei auf der Straße gehen?«
    Fabrizzio erzählte ihr seine Erlebnisse.
    »Großer Gott! Sie waren in Ferrara! Und ich habe Sie dort so gesucht! Wissen Sie, ich habe mich mit der Alten überwerfen, weil sie mich nach Venedig schleppen wollte, wo ich doch wußte, daß Sie niemals dorthin gingen, da Sie auf der schwarzen Liste der Österreicher stehen. Ich habe meine goldene Halskette verkauft, um nach Bologna zu kommen. Eine Ahnung sagte mir, daß ich hier das Glück hätte, Sie wiederzusehen. Vor zwei Tagen ist mir die Alte nachgekommen. Ich möchte Sie also bitten,uns nicht zu besuchen; die Alte ginge Sie wieder mit ihren gemeinen Geldbetteleien an, deren ich mich so schäme. Wir haben seit jenem Unglückstag, wissen Sie, sehr anständig gelebt und doch nicht den vierten Teil von dem ausgegeben, was Sie uns geschenkt haben. Ich möchte Sie auch nicht im Albergo del Pellegrino besuchen. Das wäre zu öffentlich. Mieten Sie doch ein Stübchen in einer entlegenen Straße, und nach dem Ave- Maria werde ich mich wieder hier unter diesem Säulengang einfinden.«
    Mit diesen Worten entschwand sie.

Dreizehntes Kapitel
    Alle ernsten Gedanken waren bei dem unerwarteten Erscheinen dieses lieblichen Mädchens vergessen. Fabrizzio begann in Bologna ein Leben voll Freude und eitel Sorglosigkeit. Seine harmlose Art, sich bei allem, was sein Leben erfüllte, glücklich zu fühlen, spiegelte sich in seinen Briefen an die Duchezza wider, und zwar so deutlich, daß sie darüber verstimmt wurde, was aber Fabrizzio kaum wahrnahm. Allerdings kritzelte er in abgekürzten Zeichen auf das Glas seiner Taschenuhr: ›W[enn] ich der D[uchezza] schreibe, nie sagen: als ich Th[eologe] war, als ich ein A[ngehöriger] der K[irche] war. Das ä[rgert] sie.‹
    Er hatte sich zwei kleine Pferde gekauft, mit denen er recht zufrieden war. Er spannte sie vor einen gemieteten leichten Wagen, jedesmal wenn die kleine Marietta einen Ausflug nach irgendeinem der entzückenden Orte der Umgegend Bolognas zu machen wünschte. Fast alle Abende fuhr er sie nach dem Renofall. Auf der Heimfahrt hielt er bei dem liebenswürdigen Crescentini an, der sich halb für Mariettas Vater hielt.
    ›Wahrlich,‹ sagte er sich, ›wenn dies das Kaffeehausleben ist, das mir für einen einigermaßen gehaltvollen Mannso lächerlich erschien, dann habe ich es mit Unrecht von mir gewiesen.‹ Er vergaß dabei, daß er immer nur ins Kaffeehaus ging, um den ›Constitutionnel‹ zu lesen, und daß bei ihm, den kein einziger Mensch in Bologna kannte, die Freuden befriedigter Eitelkeit gar keine Rolle in seinem gegenwärtigen Glück spielten. Wenn er nicht in Gesellschaft der kleinen Marietta war, sah man ihn in der Sternwarte, wo er astronomische Vorträge hörte. Der Professor hatte ihn sehr ins Herz geschlossen, und Fabrizzio lieh ihm sonntags seine

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